Die Erbin

William Wyler (1902 – 1981) zählt mit seinen drei Oscar-Auszeichnungen als bester Regisseur (für „Die besten Jahre unseres Lebens“, „Ben Hur“ und „Mrs. Miniver“) zu den weltbesten Filmemachern aller Zeiten und hat in seiner 45-jährigen Karriere als Regisseur ganz unterschiedliche Genres bearbeitet, in denen er jeweils Meisterwerke wie „Ein Herz und eine Krone“ (1953), „Weites Land“ (1958) und „Der Fänger“ (1965) ablieferte.
Zu den besonderen Höhepunkten seines Schaffens zählt auch die vierfach Oscar-prämierte Adaption von Henry James‘ Roman „Washington Square“. Explosive/Koch Media hat diesen Klassiker aus dem Jahr 1949 neu auf DVD und Blu-ray veröffentlicht.

Inhalt: 

Der wohlhabende, verwitwete Arzt Dr. Austin Sloper (Ralph Richardson) lebt mit seiner zurückhaltenden Tochter Catherine (Olivia de Havilland) Mitte des 19. Jahrhunderts in einer großzügigen Villa am Washington Square und setzt alles daran, seine heiratsfähige Tochter unter die Leute zu bringen. Dabei soll ihm seine ebenfalls verwitwete Schwester Lavinia Penniman (Miriam Hopkins) helfen, die eigentlich nur vorübergehend zu Besuch ist, von ihrem Bruder aber den Vorschlag unterbreitet bekommt, auch über den Winter bei ihnen zu leben. Tatsächlich scheinen sich Lavinias Bemühungen bereits auf der Hochzeit ihrer Cousine Marian auszuzahlen, wo Catherine den attraktiven Morris Townsend (Montgomery Clift) kennenlernt, der gerade erst aus Europa zurückgekehrt ist. Die unscheinbare Catherine ist sofort hingerissen von der ungewohnten Aufmerksamkeit, die ihr der wortgewandte und höfliche Mann entgegenbringt. Morris macht Catherine bereits nach einigen Besuchen am Washington Square einen Heiratsantrag, doch während Lavinia sich für das glückliche Paar mitfreut, sieht Catherines Vater in Morris einen nichtsnutzigen Lebemann ohne Vermögen und Beruf, der sein Erbe lieber auf einer vergnüglichen Europareise verprasst hat als der Familie seiner Schwester unter die Arme zu greifen.
Der Doktor, der noch immer nicht den Tod seiner als wunderschön geltenden Frau verwunden hat, ist mehr als skeptisch, dass sich Morris wirklich in seine Tochter verliebt hat. Vielmehr geht er davon aus, dass es ihr Verehrer auf das Erbe abgesehen hat, das Catherine durch den Tod ihrer Mutter in Form von jährlich 10.000 Dollar zusteht. Diese Summe würde sich durch den Tod ihres Vaters sogar verdreifachen. Als Morris um die Hand seiner Tochter anhält, macht Sloper dem Paar gegenüber keinen Hehl aus seiner Verachtung für den Mann, dem es vermeintlich nur um das Erbe seiner Tochter geht. Um vor allem die Gefühle von Catherines Verehrer auf die Probe zu stellen, unternimmt der Doktor mit seiner Tochter eine mehrmonatige Europareise, doch scheinen Catherine und Morris nach ihrer Rückkehr nach wie vor heiraten zu wollen.
Als Catherine erkennt, dass ihr Vater sie nicht wirklich liebt und stattdessen glaubt, sie besitze nicht annähernd die bezaubernden Eigenschaften ihrer Mutter, beschließt sie, noch in derselben Nacht mit Morris durchzubrennen und sich von einem mit Morris befreundeten Reverend trauen zu lassen. Als Morris sie jedoch nicht wie vereinbart abholt, bricht für Catherine eine Welt zusammen …

Kritik: 

William Wyler hat Henry James‘ Romanvorlage nach dem Bühnenstück „The Heiress“ verfilmt, das das Ehepaar Ruth und Augustus Goetz 1947 verfasst hat und mit Wendy Hiller als Catherine und Basil Rathbone als Dr. Sloper erfolgreich am Broadway lief. Olivia de Havilland war von dem Stück so begeistert, dass sie Wyler vorschlug, das Stück mit ihr in der Hauptrolle zu verfilmen. Die Autoren des Bühnenstücks verfassten daraufhin auch das Filmdrehbuch, das Wyler auf gewohnt meisterhafte Weise inszenierte.
Bis auf wenige Ausnahmen spielt sich der Film wie auf einer Theaterbühne hauptsächlich im Haus der Slopers ab, wo sich das Drama in seiner ganzen Bandbreite abspielt. Schließlich ist der mittellose Morris gezwungen, seine Geliebte in ihrem Zuhause zu besuchen, wo er zwar Catherine und ihre Tante zu bezaubern versteht, nicht aber den auch seiner Tochter gegenüber recht reserviert auftretenden Dr. Sloper. Auch wenn Olivia de Havilland nicht wie das hässliche Entlein in der Romanvorlage wirkt und aufgrund ihres zwar scheuen, aber sympathischen Wesens durchaus ansprechend aussieht, versteht die Oscar-Preisträgerin („Mutterherz“) es hervorragend, die Zerrissenheit zwischen der vernunftgesteuerten Fürsorge ihres Vaters und der vermeintlich romantischen Liebe ihres Lebens auszudrücken, zumal sich die Skepsis ihres Vaters zu bewahrheiten scheint. De Havilland wurde für ihre ergreifende Darstellung mit dem zweiten Oscar ihrer Karriere belohnt, aber auch Ralph Richardson („Doktor Schiwago“, „Time Bandits“), der seine Rolle bereits am Londoner Theater gespielt hatte, und Miriam Hopkins („Serenade zu dritt“, „Ärger im Paradies“) als temperamentvolle Anstandsdame überzeugen, während Method-Actor Montgomery Clift („Verdammt in alle Ewigkeit“, „Ein Platz an der Sonne“) in seiner nuancierten Darstellung lange nicht erkennen lässt, wie seine wahre Motivation hinsichtlich der Heirat aussieht.
William Wyler und sein Kameramann Leo Tover („Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“, „Die Schlangengrube“) sind immer dicht bei den Figuren, fangen aber auch das gediegene, Oscar-prämierte Set wunderbar ein. Weitere Oscars gab es für den gefühlvollen und akzentuiert eingesetzten Score von Aaron Copland („Von Mäusen und Menschen“) und die beeindruckenden Kostüme von Edith Head und Gile Steele, dazu Nominierungen in den Kategorien Bester Film, Beste Regie, Bester Nebendarsteller (Ralph Richardson) und Beste Kamera.
"Die Erbin" in der IMDb

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