Vollmondnächte

Auch wenn sich Éric Rohmer in seinen Filmzyklen auf eher intellektuelle Art mit den Irrungen und Wirrungen der Liebe auseinandersetzt, entwickelte er bislang an der Ausgangssituation, dass seine männlichen wie weiblichen Protagonisten meist zwischen mehreren Partnern stehen, durchaus abwechslungsreiche Szenarien. Nachdem „Pauline am Strand“ (1983), dem dritten Film seines Zyklus „Komödien und Sprichwörter“, noch von einer sommerlichen, hellen und frischen Leichtigkeit geprägt war, spielt sich sein nachfolgendes Werk „Vollmondnächte“ überwiegend in den künstlich beleuchteten Wohnungen innerhalb und außerhalb von Paris ab.

Inhalt: 

Weil der Job ihres Freundes Remi (Tchéky Karyo) als Stadtplaner es gebot, in die Vorstadt zu ziehen, ist die Innenausstatterin Louise (Pascale Ogier) mit ihm gegangen, hat ihre eigene Wohnung in der Pariser Innenstadt jedoch nicht aufgegeben. Eigentlich will sie ihre alte Wohnung renovieren und dann vermieten, doch je mehr sie die Enge der Zweisamkeit so weit ab vom Schuss zu nerven beginnt, sehnt sie sich in die Metropole zurück, um sich dort mit ihren Freunden zu treffen und auf ihren Partys zu tanzen. Schließlich macht sie Remi den Vorschlag, zurück in ihre alte Wohnung zu ziehen, weil es ihrer Beziehung förderlich sei. Remis ist alles andere als angetan von dem Freiheitsdrang seiner Freundin, die zudem von dem Schriftsteller Octave (Fabrice Luchini) umworben wird, für den sie aber überhaupt keine leidenschaftlichen Gefühle entwickelt. Dafür erwärmt sie sich aber für den Saxophonisten Bastien (Christian Vadim). Doch als sie unerwartet Remi zusammen mit ihrer Freundin Camille (Virginie Thévenet) zusammen im Café entdeckt, beginnt sie zu ahnen, dass das von ihr getroffene Arrangement vielleicht doch nicht so vorteilhaft wie erhofft funktioniert …

Kritik: 

In „Pauline am Strand“ waren es noch lichtdurchflutete Häuser am sonnigen Strand, in denen sich der muntere Liebesreigen, in denen die 15-jährige Pauline und ihre frisch getrennte Cousine sich verwickelt haben, in „Vollmondnächte“ ist die Atmosphäre dagegen durchweg ernster, beengter und düsterer. Rohmer ließ sich dabei von dem vorangestellten Sprichwort „Jemand mit zwei Frauen verliert seine Seele, jemand mit zwei Häusern seinen Verstand“ inspirieren und lässt seine quirlige Protagonistin Louise zwischen ihren Lebensräumen in der Innenstadt und im Außenbezirk ganz ungezwungen hin- und herpendeln, ohne recht zu wissen, wonach sie sich eigentlich sehnt.
Es scheint auf jeden Fall immer das Andere zu sein, das sie gerade nicht hat. Dem Sprichwort folgend verliert Louise durch das Pendeln zwischen den beiden Wohnungen zumindest die Orientierung, wen sie denn genau wie liebt. Das wird ihr leider erst klar, als sie mit Octave im Café sitzt und zufällig Remi gesehen zu haben glaubt, Octave wiederum Louises Freundin Camille.
Da Rohmer aber weder Remi noch Camille im Bild zeigt, bleibt es der Spekulation sowohl der Protagonisten als auch den Zuschauern überlassen, was sich aus diesem möglichen Szenario ergeben könnte.
Den angedachten wie gelebten Beziehungen fehlt es in „Vollmondnächte“ allerdings an Leichtigkeit. Durch die wolkenverhangene Tristesse der Hochhaussiedlungen in der Vorstadt, die in den engen Wohnungen vorherrschende künstliche Beleuchtung (die durch Louises Hobby, Lampen mit den neuartigen Röhren zu basteln noch verstärkt wird) und die heute etwas skurril wirkenden Szenen der abendlichen Partys in privaten Wohnzimmern, wo die Gäste etwas verkrampft zu französischem Synthipop tanzen, erhält das diffuse Treiben durch die verschiedenen Beziehungssituationen eine Strenge, die bislang nur in Rohmers ersten Zyklus „Moralische Geschichten“ zum Ausdruck kam.
"Vollmondnächte" in der IMDb

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