Pauline am Strand

Nachdem Éric Rohmer mit seinem ersten Filmzyklus „Moralische Erzählungen“ vorwiegend aus der männlichen Perspektive über Beziehungen, Liebe und Leidenschaften philosophieren ließ und auch der Auftakt des nachfolgenden Zyklus „Komödien und Sprichwörter“, „Die Frau des Fliegers“ (1981), vornehmlich vom männlichen Blickwinkel getragen war, wechselte der außergewöhnliche Vertreter der Nouvelle Vague bereits mit dem zweiten Film „Die schöne Hochzeit“ (1982) die Perspektive hin zum weiblichen Blick und präsentierte mit „Pauline am Strand“ (1983) schließlich einen sommerlichen und luftig-vergnüglichen Liebesreigen, in den jeweils drei Frauen und Männer verwickelt sind.

Inhalt:

Kurz vor ihrer Scheidung verbringt die attraktive Marion (Arielle Dombasle) ihren Sommerurlaub zusammen mit ihrer fünfzehnjährigen Cousine Pauline (Amanda Langlet). Am Strand trifft Marion mit Pierre (Pascale Greggory) einen alten Freund wieder, der nach wie vor in Marion verliebt ist und es noch nicht verwunden hat, dass sie sich damals für einen anderen Mann entschieden hatte. Gerade als Pierre Marion und Pauline anbietet, ihnen das Surfen beizubringen, taucht auch Pierres Kumpel, der ältere Ethnologe Henri (Féodor Atkine) auf der Bildfläche auf und lädt alle zum Essen bei sich zuhause ein. Bei den anschließenden Gesprächen wird deutlich, dass Pierre beispielsweise auf die große Liebe wartet, Henri gern jede Gelegenheit beim Schopfe packt und Marion auf eine Liebe aus brennender Leidenschaft hofft, während Pauline völlig unschuldig und unbedarft einfach abwartet. Aus dieser Konstellation heraus entwickelt sich nicht nur eine Affäre zwischen Henri und Marion, die Pierre etwas eifersüchtig beäugt, sondern auch eine zärtliche Romanze zwischen Pauline und dem etwa gleichaltrigen Sylvain (Simon de La Brosse). Als Henri aber auch mit der Süßigkeitenverkäuferin Louisette (Rosette) ins Bett steigt, was Pierre zufällig von der Straße aus beobachtet, fangen die Probleme erst an, denn Henri versucht zunächst, vor der plötzlich auftauchenden Marion den Eindruck zu erwecken, dass Sylvain sich mit Louisette vergnügt hat …
Für den dritten Film in seinem zweiten Zyklus hat sich Éric Rohmer die einladende Kulisse eines französischen Badeortes in der Nähe von Granville in der Normandie ausgesucht und ihm das Sprichwort „Wer zu viel redet, verliert sich selbst“ von Chrétien de Troyes vorangestellt. Geredet wird in Rohmer-Filmen ohnehin viel, und auch für „Pauline am Strand“ gilt, dass die Gespräche weniger dazu dienen, denen einzelnen Figuren Konturen zu verleihen, sondern Konzepte von Vorstellungen über die Liebe miteinander zu verweben oder sie aneinander zu reiben.
So hat sich Marion zwar schon innerlich von ihrem Mann abgewandt und sich in einem leidenschaftlichen Moment dem hedonistischen Henri hingegeben, doch wird ihre Leidenschaft von ihrem Geliebten überhaupt nicht erwidert, so dass er sich bereits der nächsten Gelegenheit zuwendet. Henri hat mit seiner Einstellung überhaupt keine Probleme, belastet durch seine spontane Lust aber andere Beteiligte, vor allem Sylvain und Pauline. Die jüngsten Beteiligten an diesem Liebesreigen sind letztlich die natürlichsten und ehrlichsten Verfechter ihrer Gefühle, so undefiniert sie auch noch sein mögen.

Kritik:

Rohmer ist mit „Pauline am Strand“ ein wunderbar leichter Sommerfilm über die Liebe gelungen, bei dem die unterhaltsamen Diskurse über die Liebe wunderbar mit den erfrischend hellen Bildern von Néstor Almendros („Tage des Himmels“, „Kramer gegen Kramer“) und den überzeugenden DarstellerInnen harmonieren. Arielle Dombasle („Die schöne Hochzeit“, „Tess“) zeigt sich für Rohmer-Verhältnisse dabei ungewöhnlich freizügig, und Amanda Langlet verkörperte in ihrem Spielfilmdebüt die in Liebesdingen noch so unbedarfte Pauline so überzeugend, dass Rohmer sie später auch in „Sommer“ (1996) und „Triple Agent“ (2004) besetzte. Rohmer erhielt 1983 bei den Berliner Filmfestspielen einen Silbernen Bären für die Beste Regie.
"Pauline am Strand" in der IMDb

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