Gesprengte Ketten


John Sturges hat vor allem in den 1950er Jahren so unvergessliche Filme wie „Stadt in Angst“ (1955), „Zwei rechnen ab“ (1957), „Der alte Mann und das Meer“ (1958) und „Wenn das Blut kocht“ (1959) inszeniert, bevor er 1960 mit „Die glorreichen Sieben“ (1960) DEN Western-Klassiker schlechthin schuf. 1963 folgte mit dem fast dreistündigen, auf wahren Begebenheiten beruhenden Ausbruchsdrama „Gesprengte Ketten“ ein weiterer, hochkarätig besetzter Höhepunkt in seiner über vierzig Filme umfassenden Werksbiografie als Regisseur. 

Inhalt: 

Als sich anno 1944 der Zweite Weltkrieg in seiner Hochphase befindet, haben die Offiziere der Alliierten die strikte Order, sich mit aller Kraft an einen Ausbruch zu machen, sollten sie in Gefangenschaft geraten, und dabei möglichst viele feindliche Kräfte bis zu ihrer erneuten Festnahme binden. Um dieses taktisch kluge Vorgehen zu unterbinden hat die deutsche Luftwaffe in Süddeutschland das neue, nahezu ausbruchssichere Gefangenenlager Stalag Luft III errichtet, in dem der kultivierte deutsche Luftwaffen-Offizier von Luger (Hans Messemer) das Kommando über die weithin bekannten Ausbruchsexperten übernimmt. 
Unter den eingelieferten Kriegsgefangenen befindet sich auch der „Bunkerkönig“ Hilts (Steve McQueen), der sofort einen toten Winkel zwischen den Beobachtungstürmen an den Ecken des Lagers zu entdecken glaubt und mit dem britischen Jockey Ives alias „Der Maulwurf“ (Angus Lennie) in der Nacht den ersten Versuch startet, durch ein Loch im Zaun zu fliehen. Zwar geht das Unternehmen schief und verschafft den beiden den ersten Aufenthalt im Bunker, doch danach tüfteln sie gleich am nächsten Plan. Allerdings bündeln sie ihre Kräfte mit dem gerade ins Lager verlegten Ausbruchskönig Roger „Big X“ Bartlett (Richard Attenborough), der nicht weniger als einen Massenausbruch von 250 Gefangenen plant. Da die deutschen Offiziere natürlich mit einem Ausbruchsversuch rechnen, ist bei der Planung höchste Vorsicht geboten. 
So werden gleich drei Tunnel („Tom“, „Dick“ und „Harry“) von den dem Wald am nächsten gelegenen Baracken geplant, wobei die Spezialisten mit Sonderaufgaben betraut werden. Während Bartlett das ganze Unternehmen leitet, ist Flight Lieutenant Bob „der Schnorrer“ Hendley (James Garner) für die Materialbeschaffung von Lebensmitteln zum Tauschen und Bestechen, deutschen Dokumenten zum Fälschen oder Holz zum Abstützen der Tunnel zuständig, der Ornithologe Blythe (Donald Pleasence) für das Fälschen, Officer Louis „der Handwerker“ Sedgwick (James Coburn) für das Herstellen von Werkzeugen zum Graben und eines Belüftungssystems für die Tunnel, Lieutenant Commander Eric „der Verteiler“ Ashley Pitt (David McCallum) für das Verteilen der ausgegrabenen Erde aus den Tunneln auf dem Gelände des Lagers. Doch die Zeit wird knapp: Da die Daten auf den gefälschten Dokumenten schon feststehen, konzentrieren sich die Männer auf nur noch einen Tunnel, doch das Risiko seiner Entdeckung wächst … 

Kritik: 

Auf dem Buch „The Great Escape“ von Paul Brickhill basierend schrieb der spätere Bestseller-Autor James Clavell („Shogun“, „Tai-Pan“) ein Drehbuch, das zwar u.a. das in Ostschlesien befindliche Lager nach Süddeutschland und die geschilderten Ereignisse vom Winter in den Sommer verlegte, aber die unglaubliche Geschichte musste darüber hinaus kaum dramaturgisch überhöht werden. 
John Sturges hat für die immerhin fast dreistündige Verfilmung des ca. vier Millionen US-Dollar teuren Dramas eine Vielzahl von Hollywood-Stars verpflichten können, die einander wunderbar ergänzen und allein durch ihre charismatischen Darstellungen zum Gelingen des jederzeit spannenden und unterhaltsamen Dramas beitragen. 
Dabei überrascht zunächst der Umstand, wie pfleglich die Gefangenen der vornehmlich britischen Armee im Lager behandelt werden. Ausbruchsversuche werden nicht etwa mit dem Tod, sondern mit relativ entspannten Aufenthalten im Bunker geahndet. Ansonsten dürfen sich die Männer frei im Lager bewegen, werden mit Gartengeräten ausgestattet, um ihre Energien zu kanalisieren, und leiden auch sonst keinen Mangel außer der Tatsache, dass sie nicht mehr ihrem Land im Kampf gegen die Nazis dienen können. Seine große Faszination speist „Gesprengte Ketten“ aber aus den ausgeklügelten Maßnahmen, Täuschungs- und Ablenkungsmanövern, mit denen Big X und seine Männer die deutschen Bewacher einlullen, sei es mit lautstarken Choreinlagen, die den Lärm der Ausgrabungen überdecken sollen, oder der Feier zum Unabhängigkeitstag, zu der die Gefangenen ihre Bewacher mit selbstgebrannten Schnaps außer Gefecht setzen. 
Sturges konzentriert sich in „Gesprengte Ketten“ überhaupt nicht auf das Kriegsgeschehen, sondern bleibt ganz bei dem Geschehen im Lager und den faszinierenden Vorbereitungen und der Ausführung der finalen Flucht, die zunächst für einen Teil der Truppe gelingt. Allerdings wird der Ausbruch früh bemerkt, so dass die Nazis den nächstgelegenen Bahnhof in Neustadt und die umliegenden Dörfer und Städte nach den Flüchtigen absuchen. Wie sich diese allein oder zu zweit mit dem Zug, Motorrad, Schiff oder Fahrrad teilweise bis nach Spanien durchschlagen, die meisten allerdings auf Hitlers Befehl erschossen werden, ist lebendig inszeniert und gewinnt durch die schönen Schauplätze und die coole Performance gerade von Steve McQueen („Getaway“, „Thomas Crown ist nicht zu fassen“) zusätzlich an Unterhaltungswert. Zusammen mit McQueens spielfreudigen Kollegen und der fesselnden Musik von Elmer Bernstein, der bereits Sturges‘ Klassiker „Die glorreichen Sieben“ vertont hatte, bietet „Gesprengte Ketten“ warmherzige Männer-Unterhaltung, die nicht nur über elf Millionen US-Dollar in die Kinokassen spülte, sondern bis heute zu den besten Filmen überhaupt zählt. 

Kommentare

Beliebte Posts