Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford

Der 1847 geborene Jesse Woodson James war nicht nur das bekannteste Mitglied der berüchtigten James-Younger-Bande, sondern wurde nach seiner Ermordung zu einem Volkshelden avancierte, dessen Fotos von seinem Leichnam reißenden Absatz fanden und dessen Ermordung mehr als 800 Mal auf der Bühne wiederholt wurde. Aber schon zu seinen Lebzeiten wurden die von Jesse James und seiner Bande verübten Raubüberfälle in Groschenheften heroisiert. Durch etliche Verfilmungen wie Henry Kings „Jesse James, Mann ohne Gesetz“ (1939), Fritz Langs „Rache für Jesse James“ (1940), Samuel Fullers „I Shot Jesse James“ (1949) oder Walter Hills „Long Raiders“ (1980) unternahm Andrew Dominik 2007 den ambitionierten Versuch, den Mythos um Jesse James zu demontieren. 

Inhalt: 

Seit zwölf Jahren treibt der inzwischen 34-jährige Jesse James (Brad Pitt) mit seinem älteren Bruder Frank (Sam Shepard) und ihrer gemeinsamen Bande sein kriminelles Unwesen. Da sich die Mitglieder der Räuberbande nach den Überfällen auf Banken, Postkutschen und Zügen immer wieder geschickt zerstreuen, sind sie von den Gesetzeshütern nie aufzuspüren, zumal Jesse unter falschem Namen in Kansas City als wohlhabender Müßiggänger gilt. Doch Jesse ist dieses Lebens müde. Viel lieber will er mehr Zeit mit seiner Frau Zee (Mary-Louise Parker) und seinen beiden Kindern verbringen. Für das nötige Kapital zum sorglosen Lebensabend plant er allerdings einen letzten Coup. Da die übrigen Bandenmitglieder im Gefängnis sitzen oder schon tot sind, holt sich Jesse für einen vermeintlich lohnenden Zugüberfall noch Verstärkung unter den Einheimischen, darunter den 19-jährigen Robert „Bob“ Ford (Casey Affleck) und seinen Bruder Charley (Sam Rockwell). Vor allem Bob hegt eine immense Bewunderung für den charismatischen Banditen, wird von seinem Idol aber immer wieder mit Spott bedacht. Schließlich bröckelt bei Bob auch das strahlende Bild seines Helden, denn Jesse erweist sich als wankelmütiger, schwer berechenbarer Mann, der ihm zunehmend Angst macht. Schließlich hat der misstrauische und zunehmend depressive Jesse bereits einen seiner Männer erschossen. Nachdem Jesse über Nacht in sein neues Haus in St. Joseph eingezogen ist, bringt er auch die beiden Ford-Brüder bei sich unter, um festzustellen, wer von ihnen ihn hintergehen könnte. 
Zwischenzeitlich hat Bob nämlich gegen Straffreiheit und eine Belohnung dem Sheriff von Kansas den Aufenthalt einiger Bandenmitglieder im Haus seiner Schwester Martha (Alison Elliott) verraten, worauf diese festgenommen wurden. In Jesse James‘ Wohnzimmer spitzt sich die Situation zwischen ihm und den beiden Ford-Brüdern zu … 

Kritik:

Der neuseeländische Drehbuchautor und Regisseur Andrew Dominik hatte mit „Chopper“ (2000) erst einen Film in seiner Vita aufzuweisen, als er sich daran machte, Ron Hansens Roman „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ zu verfilmen, wozu er selbst das Drehbuch beisteuerte. Dabei konzentriert er sich auf das letzte Lebensjahr des berühmt-berüchtigten Bandenanführers Jesse James und dokumentiert in eindrucksvollen, von Roger Deakins („No Country For Old Men“, „Sicario“) eingefangenen Bildern vor allem die wachsende Kluft zwischen James und seinen Mitstreitern. Dabei weidet sich Dominik in weitläufigen Natur-Panorama-Bildern, die einem Terrence-Malick-Film („The Tree of Life“, „Knight of Cups“) entsprungen sein könnten, und Kommentaren des Erzählers zur Story aus dem Off. 
Da das Ende der Geschichte bekannt ist und zudem im Filmtitel noch explizit erwähnt wird, widmet sich Dominik vor allem seinen Figuren und bricht dabei mit den Mythen des Western-Genres. Helden gibt es hier nur noch in der Vorstellung eines fast noch jugendlichen Verehrers, der allerdings feststellen muss, dass seine Bewunderung auf tönernen Füßen steht und zunehmend Risse bekommt. Mit der manchmal schon quälend langsamen Veränderung, die die Beziehung zwischen Jesse James und den Ford-Brüdern durchläuft, wird der selbstzerstörerische Hang des berühmten Banditen deutlich. Am Ende ist es nämlich Jesse James, der zu feige ist, sich selbst das Leben zu nehmen, und stattdessen die beiden Ford-Brüder so manipuliert, dass wenigstens einer von ihnen aus Angst, Jesses zerstörerischer Unberechenbarkeit zum Opfer zu fallen, ihn töten wird. 
Auch wenn das entmystifizierende Western-Drama zu lang geraten ist und sich wiederholende Effekthascherei mit der Zeit zu langweilen beginnt, überzeugt „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ durch einen bis in die Nebenrollen prominent besetzten Cast. Brad Pitt („Legenden der Leidenschaft“, „Rendezvous mit Joe Black“), der mit Dominik 2012 noch das Killer-Drama „Killing Them Softly“ drehen sollte, brilliert als legendärer Bandit, der nicht nur seine Umwelt, sondern selbst seine Familie im Ungewissen über seine wahre Identität lässt, sich immer wieder verstecken muss und bald nicht mehr weiß, wem er überhaupt trauen kann. Neben ihm überzeugt vor allem Casey Affleck („Gone Baby Gone“, „Manchester by the Sea“) als gar nicht so feiger Robert Ford, aber auch Sam Rockwell und Jeremy Renner verleihen ihren Nebenrollen Profil. 
Die wunderschönen Bilder und der unaufdringliche Score von Nick Cave (der am Ende in einer Bar als Musiker ein Lied über Jesse James zum Besten gibt) und Warren Ellis tun ihr Übriges, den Film trotz seiner Längen sehenswert zu machen. 

Kommentare

Beliebte Posts