Wilder Strom
Elia Kazan hat in den 1950er Jahren Filmgeschichte mit Dramen wie „Endstation Sehnsucht“ (1951), „Die Faust im Nacken“ (1954) und „Jenseits von Eden“ (1955) geschrieben, in denen junge Rebellen ihren Platz im Leben erkämpfen mussten. In „Wilder Strom“ (1960) fällt diese Rolle umgekehrt der ältesten Figur in der Geschichte zu. Dafür wurde die damals 46-jährige Jo Van Fleet, die unter Kazan bereits in „Jenseits von Eden“ spielte, um fast das Doppelte älter gemacht.
Inhalt:
Seit Jahren schon wird das Tennessee Valley in Alabama von Flutkatastrophen heimgesucht. Um dies in Zukunft zu verhindern, hat die Regierung unter Präsident Roosevelt 1933 das Staatsunternehmen Tennessee Valley Authority (TVA) im Rahmen des New-Deal-Programms gegründet. Doch um den geplanten Staudamm zu realisieren, müssen die dort lebenden Farmer umgesiedelt werden. Nachdem bereits alle umliegenden Farmer das großzügige Angebot der TVA wahrgenommen haben, stellt sich die 80 Jahre alte Ella Garth (Jo Van Fleet) stur. Nun soll der junge TVA-Ingenieur Chuck Glover (Montgomery Clift) sein Möglichstes versuchen, die alte Dame umzustimmen, bevor ihre Farm zwangsgeräumt werden muss. Seine Überzeugung, dass jeder Mensch einer vernünftigen Argumentation gegenüber offen sein müsste, wird allerdings nicht bestätigt. Bei seinem Besuch auf der Insel ziehen sich Ella Garth und ihre Familie demonstrativ von der Veranda ins Haus zurück. Nur Ellas Enkelin, die verwitwete Carol (Lee Remick), schaut sich den ungewöhnlich jungen TVA-Vertreter etwas genauer an.
Als er sich in Carol verliebt, sorgt das nicht nur für Unmut zwischen Carol und ihrer störrischen Großmutter, auch die weiße Stadtbevölkerung begehrt gegen Glovers Vorgehen an. Die Geschäftsleute wehren sich gegen Glovers Pläne, schwarzen Arbeitern den gleichen Lohn zu zahlen wie den Weißen, und schrecken auch nicht davor zurück, ihre Position mit Gewalt durchzusetzen …
Kritik:
Elia Kazan inszenierte „Wilder Strom“ nach Romanen von William Bradford Huie und Borden Deal, die Paul Osborn („Jenseits von Eden“, „Sayonara“) in seinem Drehbuch zu einem Drama zusammengeführt hat, das ebenso ein Liebesdrama darstellt wie eine Geschichte, die den Übergang von Tradition zur Moderne thematisiert und dabei auch noch Rassenkonflikte anreißt. Dabei zeigen vor allem die Bilder, wie riesige Flächen für das Staudammprojekt gerodet werden, wie der Fortschritt nicht mehr aufzuhalten ist – schon gar nicht von einer einzelnen alten Dame.
Montgomery Clift, der wegen seiner Depression und Alkoholsucht vertraglich zusichern musste, während der Dreharbeiten keinen Tropfen Alkohol anzurühren, wirkt im Vergleich zu Kazans stets so famos temperamentvoll agierenden Jungstars Marlon Brando und James Dean fast schon katatonisch. Der störrischen Haltung der alten Farmerin hat er wenig entgegenzusetzen. Tatsächlich versteht er Ella Garth sogar. Doch was sich die Regierung und damit auch die TVA in den Kopf gesetzt hat, wird natürlich durchgezogen, vorzugsweise nach Einigung und großzügigen Entschädigungszahlungen, die während der Weltwirtschaftskrise von den armen Farmern gern angenommen wurden, zur Not aber auch mit gerichtlicher Verfügung. Ebenso unbeholfen tritt Clifts Figur aber auch in der Beziehung zu Carol auf, die ihm offen ihre Liebe gesteht und den Mann nach Beendigung seines Auftrags auch begleiten will, wohin es ihn danach auch zieht. Und auch gegen die gewalttätigen Proteste der Weißen hat Glover nichts entgegenzusetzen. Während Montgomery Clift („Freud“, „Ich beichte“) also ziemlich blass bleibt, überzeugt vor allem Lee Remick („Getrennte Betten“, „Das Omen“) als leidenschaftliche Frau, die sehr wohl weiß, dass Glover eigentlich sich selbst genug ist, aber genauso jemanden braucht wie sie auch einen Menschen an ihrer Seite wissen möchte.
Den Vergleich mit Kazans früheren Meisterwerken hält „Wilder Strom“ nicht stand, aber die etwas unausgegorene Mischung zwischen sozialkritischem Drama und Love Story vermag durchaus gut zu unterhalten.
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