Spiegelbild im goldenen Auge
Als John Huston 1967 Carson McCullers Roman „Spiegelbild im goldenen Auge“ adaptierte, hatte er sich in den vorangegangenen 25 Jahren mit Meisterwerken wie „Die Spur des Falken“ (1941), „Der Schatz der Sierra Madre“ (1948), „African Queen“ (1951), „Moby Dick“ (1956), „Denen man nicht vergibt“ (1960) und „Die Bibel“ (1966) einen großen Namen als Regisseur gemacht. So standen ihm für die ungewöhnliche Literaturverfilmung große Stars wie Marlon Brando („Die Faust im Nacken“, „Der Wilde“, „Endstation Sehnsucht“), Elizabeth Taylor („Cleopatra“, „Die Katze auf dem heißen Blechdach“) und Julie Harris („Jenseits von Eden“, „Bis das Blut gefriert“) zur Verfügung.
Inhalt:
Major Weldon Penderton (Marlon Brando) lebt mit seiner schönen Frau Leonora (Elizabeth Taylor) in einem Camp der amerikanischen Army. Während er seine Vorlesungen hält, reitet die temperamentvolle Leonora gern auf ihrem eigensinnigen Hengst Firebird aus, der von dem Stallknecht Private Williams (Robert Forster) gepflegt wird. Oft wird sie dabei von ihrem Liebhaber Colonel Morris Langdon (Brian Keith), der mit seiner Frau Alison (Julie Harris) nebenan wohnt, begleitet. Die sensible Alison, die sich nach dem Verlust ihres Babys vor drei Jahren mit einer Gartenschere die Brustwarzen abschnitt und seither als psychisch labil gilt, weiß von der Affäre zwischen ihrem Mann und Leonora, tröstet sich aber mit der Gesellschaft ihres ebenfalls kunstliebenden philippinischen Dieners Anacleto (Zorro David).
Als Weldon, der als ungeschickter Reiter gilt, zusammen mit Langdon und Leonora ausreitet, entdecken sie Williams, wie er nackt auf einem von Leonoras Pferden reitet, was Weldons Frau mit Humor nimmt, Weldon selbst aber verstört. Während Leonora immer wieder über die vermeintliche Impotenz ihres Mannes spottet, hält Weldon seine homosexuellen Ausrichtung verborgen. Als Leonora ihren Mann provoziert, indem sie sich auszieht und splitternackt die Treppe hochgeht, wird sie nicht nur von ihrem düpierten Mann beobachtet, sondern auch von dem wortkargen Einzelgänger Williams, der nicht nur immer wieder das Haus beobachtet, sondern nachts sogar in Leonoras Schlafzimmer eindringt, sie beim Schlafen beobachtet und an ihren Sachen riecht. Weldon gelingt es immer weniger, seine Wut über Leonoras sadistische Ader zu beherrschen. So versucht er, Leonoras widerspenstigen Hengst mit Tempo zu reiten, doch wird Weldon bei dem wilden Ritt abgeworfen, worauf er Firebird mit einem Ast prügelt.
Als Leonora erfährt, was ihr Mann getan hat, schlägt sie ihn vor den Augen ihrer Partygesellschaft mit der Reitgerte …
Kritik:
Warner Bros. planten bereits Anfang der 1960er Jahre, Carson McCullers Roman „Spiegelbild im goldenen Auge“ zu verfilmen, doch ein Film, der als erster in Hollywood Homosexualität offen thematisierte, war nicht so einfach zu produzieren. Zum anderen sollte Taylors langjähriger Freund Montgomery Clift, mit dem sie bereits u.a. bei „Ein Platz an der Sonne“ (1951) und „Plötzlich im letzten Sommer“ (1959) gemeinsam vor der Kamera stand, die Hauptrolle übernehmen, doch war Clift wegen seines bekannten Alkoholkonsums ein zu großes Risiko für das Studio. Zwar setzte sich Taylor weiterhin für ihren Freund ein, doch als der Schauspieler 1966 im Alter von 45 Jahren an einem Herzinfarkt verstarb, rückte schließlich Marlon Brando als Hauptdarsteller nach. Brando konnte nach seinen Erfolgen mit „Endstation Sehnsucht“, „Der Wilde“ und „Die Faust im Nacken“ in den 1960er Jahren kaum noch glänzen und sah unter der Regie von John Huston die Möglichkeit, sein ramponiertes Image wieder etwas aufzupolieren. Tatsächlich überzeugt Brando, der in seiner Rolle als Offizier zwar beruflich gut dasteht, im Privatleben aber zerrissen wird von der Schikanierung durch seine Frau einerseits und seiner nicht ausgelebten Homosexualität andererseits.
Huston deutet die Homosexualität immer nur sehr versteckt an. So zieht sich Weldon in sein Arbeitszimmer zurück, um die in einer Schachtel versteckten Erinnerungsstücke an frühere Erfahrungen zu betrachten, dann irritiert ihn der nackt auf dem Pferd reitende Stallknecht, der jedoch nur Augen für Weldons Frau zu haben scheint, schließlich läuft ihm Weldon nach einer Boxkampfveranstaltung nach und sammelt das Schokoladenpapier auf, das Williams auf den Boden geworfen hat, und verstaut es in seinem Kästchen.
Die psychischen Konflikte vor allem innerhalb der beiden Offiziersehepaare werden allerdings nicht besonders tiefsinnig herausgearbeitet. Weitaus wirkungsvoller erweist sich die Art und Weise, wie Huston mit filmtechnischen Mitteln mit Blicken spielt.
Während Weldon seine Eitelkeit immer wieder vor dem Spiegel in Szene setzt, sind es vor allem die Blicke, die die Beteiligten durch Fenster werfen. Williams betrachtet von außen durch das Fenster das Treiben der von ihm begehrten Frau, Alison beobachtet von ihrem Fenster aus, wie sich nachts ein Mann aus dem Haus der Pendertons schleicht, und vermutet ihren Mann als Übeltäter.
Den Titel verdankt der Film - wie im Roman – einem von Anacletos Bildern. In dem goldenen Auge des gemalten Pfaus spiegelt sich die Wirklichkeit auf groteske Weise wider. Ebenso wie Fenster spielen auch Spiegel eine wichtige Rolle in dem Film. Besonders schön ist die Spiegelsymbolik in zwei Szenen zu beobachten. Während Weldon vor dem Spiegel sein eigenes Antlitz bewundert, wird der verzerrte Gesichtsausdruck von Alison, als sie durch ihren Diener die offensichtlich bittere Medizin verabreicht bekommt, allein in Anacletos mitfühlendem Gesicht sichtbar.
Huston hat diese Symbolik durch eine monochrome Farbgebung noch intensiviert und den Film mittels Filtracolor-Verfahren in ein glühendes Gold getaucht. Robert Forster („Jackie Brown“, „Twin Peaks“) feierte in diesem gut gespielten und meisterhaft inszenierten Psycho-Drama als Private Williams übrigens sein Leinwanddebüt.
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