Die Strohpuppe

Sean Connery hatte gerade mit „James Bond jagt Dr. No“ (1962) und „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) seine ersten beiden Abenteuer als britischer Agent im Geheimdienst Ihrer Majestät erfolgreich absolviert, als er es in dem britischen Krimi-Drama „Die Strohpuppe“ (1964) sehr viel ruhiger angehen ließ und sogar die Seiten wechselte. 

Inhalt: 

Charles Richmond (Ralph Richardson) ist ein Menschenverächter, wie er im Buche steht, was ihm vor allem sein Neffe Anthony (Sean Connery) übel nimmt. Onkel Charles trieb Anthonys Vater nämlich durch sein skrupelloses Geschäftsgebaren in den Tod. Nun verdient Anthony selbst seinen Lebensunterhalt bei seinem Onkel, der schwer krank und an den Rollstuhl gefesselt ist. Auf seinem pompösen Landsitz sorgen neben etlichen Dienern auch die beiden Schwarzen Thomas und Fenton dafür, dass es dem Herrn an nichts mangelt, doch lässt Richmond sie deutlich spüren, dass Schwarze auch zu nichts anderem taugen als den Weißen zu dienen. Durch seine herrische Art hat Richmond nun noch einmal mehr seine persönliche Krankenschwester in die Flucht getrieben, so dass es Anthonys Aufgabe ist, einen passenden, vor allem liebreizenden Ersatz zu finden, denn seit dem Tod seiner Frau hat Charles Richmond wenig Aufmerksamkeit seitens des weiblichen Geschlechts erhalten. Mit der ebenso selbstbewussten wie attraktiven Italienerin Maria Marcello (Gina Lollobrigida) scheint Anthony die richtige Kandidatin gefunden zu haben. 
Da Anthony nach Charles‘ Tod nur wenige tausend Pfund als Erbe zu erwarten hat, schmiedet er mit Maria, die dem smarten Anthony schnell verfällt, einen teuflischen Plan: Maria soll den gebrechlichen alten Herrn dazu bringen, sie zu heiraten, damit das Testament geändert wird und Maria und Anthony schließlich glücklich zusammenleben können. Zwar gewinnt Charles Richmond durch Marias Gesellschaft schon etwas menschlichere Züge, doch während der Fahrt auf seiner Luxusjacht ist Maria über einen Zwischenfall bei einem Sturm so empört, dass sie sich an Land bringen lässt. Ihr Ausharren in einem kleinen Hotel scheint Wirkung zu zeigen, denn Charles Richmond lässt sich in das Hotel chauffieren und macht Maria einen Heiratsantrag. Doch auf der Heimreise stirbt Charles unerwartet, bevor das geänderte Testament bei einem Notar in England hinterlegt werden konnte … 

Kritik: 

Sean Connery, der nach wie vor für viele der beste James-Bond-Darsteller aller Zeiten ist, hat schon früh nach seinem Durchbruch mit den ersten beiden Bond-Abenteuern angefangen, sich nicht auf die Rolle des Meisterspions mit der Lizenz zum Töten festlegen zu lassen. So hat er direkt nach den ersten beiden Bond-Filmen mit „Die Strohpuppe“ und Alfred Hitchcocks „Marnie“ (beide 1964) bei zwei bedächtig inszenierten Krimi-Dramen mitgespielt, die Connerys Vielseitigkeit als Schauspieler demonstrieren. 
In Basil Deardens („Ein Mann jagt sich selbst“, „Nur über eine Leiche“) Adaption von Catherine Arleys Roman „La Femme de paille“ verkörpert der damals 34-jährige Schotte einen adrett erscheinenden Mann, dem keine Frau einen Wunsch abschlagen kann. Allerdings zeigt sich schnell, dass Tony Richmond nur von dem Gedanken an Rache für den Tod seines Vaters getrieben ist, wofür er sogar die selbstbewusst auftretende Maria einspannen kann. 
In dem knapp zweistündigen Drama nimmt sich Dearden viel Zeit, vor allem den großartig von Ralph Richardson („Doktor Schiwago“, „Die Erbin“) dargestellten Charles Richmond und seine widerwärtige Art, mit Menschen umzugehen, zu illustrieren, dann rückt der sorgfältig von Tony entwickelte Plan, das Erbe seines verhassten Onkels zu erschleichen, zunehmend in den Mittelpunkt, wobei parallel auch gezeigt wird, wie Charles‘ Charakter durch Marias Nähe etwas aufweicht. 
Spannend wird „Die Strohpuppe“ erst, als Charles stirbt und die beiden Verschwörer den Eindruck aufrechterhalten müssen, dass ihr Opfer noch lebt, als es wieder in England eintrifft. Doch dieses Szenario dient nur als Vorspiel für der perfide Spiel, das der junge Richmond anschließend spielt. Dearden und sein Kameramann Otto Heller („Ladykillers“, „Ipcress – streng geheim“) finden stets schöne Bilder für den imposanten Landsitz, die Reise mit der Luxusjacht und den kurzen Abstecher an Land. Das Finale mit der Verhandlung gegen Maria, die für den Mord an ihrem Mann angeklagt wird, ist souverän und packend inszeniert, und auch die Chemie zwischen Connery und Lollobrigida („Der Glöckner von Notre Dame“, „Happy End im September“) stimmt, dennoch blieb dem britischen Krimi-Drama der große Erfolg verwehrt. 

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