Die Nacht des Leguan

Der für seine Stücke „Endstation Sehnsucht“ und „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Schriftsteller Tennessee Williams hat im Laufe seiner Karriere viele weitere Bühnenstücke geschrieben, die auf reges Interesse bei den Filmemachern in Hollywood stießen. Nachdem seit 1950 Verfilmungen nicht nur der beiden prämierten eingangs erwähnten Stücke, sondern auch von „Die Glasmenagerie“, „Die tätowierte Rose“, „Der Mann in der Schlangenhaut“, „Plötzlich im letzten Sommer“, „Süßer Vogel Jugend“ oder „Zeit der Anpassung“ in die Kinos gekommen sind, adaptierte John Huston („Moby Dick“, „African Queen“) 1964 Williams‘ „Die Nacht des Leguan“ und vereinte die Stars Richard Burton, Ava Gardner und Deborah Kerr vor der Kamera und der schwülstigen Kulisse an der Küste Mexikos. 

Inhalt: 

Nachdem Reverend Lawrence Shannon (Richard Burton) wiederholt Zweifel an der Kirche empfand, hat er sein Priestergewand abgelegt und sich als Fremdenführer bei einem Reiseunternehmen verdingt. Mit einer Gruppe von Lehrerinnen, der auch die kokette 18-jährige Charlotte Goodall (Sue Lyon) angehört, reist er im Bus nach Mexiko, wo Charlotte ihre weiblichen Reize einsetzt, um Shannon zu verführen. Als Judith Fellowes (Grayson Hall) als Anführerin der Gruppe und Charlottes Aufpasserin Wind von dem offensichtlich ungebührlichen Verhalten des ehemaligen Reverends bekommt, setzt sie sich sofort mit einem ihr bekannten Richter in Verbindung, damit Shannon durch seinen Arbeitgeber gekündigt wird. Um dem Antworttelegramm am nächsten Hotel zu entgehen, übernimmt Shannon selbst den Job des Busfahrers und entführt die Gesellschaft zu einer versteckt an der Küste liegenden Unterkunft, die von Shannons altem Freund Fred und seiner Frau Maxine Faulk (Ava Gardner) geführt wird. Zwar ist der alte Fred vor wenigen Wochen verstorben und die Absteige im August eigentlich geschlossen, aber Shannon zuliebe lässt sie die Reisegesellschaft bei sich einquartieren. 
Die spürbare Spannung zwischen Shannon und Miss Fellowes lässt sich auch durch kostenlose Cocktails nicht auflösen, und Charlotte will einfach nicht die Finger des mit der Situation völlig überforderten Ex-Priesters lassen. Erst als die reisefreudige und besonnene Hannah Jelkes (Deborah Kerr) mit ihrem Großvater (Cyril Delevanti) zu der Gruppe stößt, wird Shannons Aufmerksamkeit von der blutjungen Charlotte zur aparten Hannah verlagert, während Maxine ihre Zuneigung zu Shannon nicht so zeigen kann, wie sie gern würde und sich stattdessen mit ihren beiden jungen Angestellten Pepe und Pedro vergnügt … 

Kritik: 

Mehr als der Film an sich sorgten die Produktionsbedingungen bei John Hustons Adaption des Tennessee-Williams-Stückes von „Die Nacht des Leguan“ für Aufmerksamkeit, denn am abgelegenen Set im mexikanischen Puerto Vallarta tauchten nicht nur ungewöhnlich viele Pressevertreter auf, sondern auch Elizabeth Taylor, die mit Richard Burton eine wenig heimliche Affäre unterhielt, bis sie ihn 1964 heiraten konnte, sowie Deborah Kerrs Ehemann Peter Viertel, der zuvor mit Ava Gardner heftig geflirtet haben soll. 
Diese emotionale Spannung übertrug sich zum Glück auch auf den Film, denn die Hauptdarsteller bringen die emotionalen Konflikte, die sie in sich tragen, wunderbar auf den Punkt. Im Mittelpunkt steht die großartig von Richard Burton („Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, „Der Spion, der aus der Kälte kam“) dargestellte Krise eines Priesters, der zwar bei seiner Kirche in Ungnade gefallen ist, aber weder seinen Glauben noch seine Empfänglichkeit für die weiblichen Reize verloren hat, weshalb er Mühe hat, sich nicht nur die kesse Charlotte vom Leib zu halten, sondern auch seine Alkoholsucht in den Griff zu bekommen. Aber auch die überzeugend gestalteten Frauenrollen hauchen dem schwülstigen Drama um Macht, Glaube, Charakter und Liebe Leben ein. Während Sue Lyon wie schon in Stanley Kubricks „Lolita“ (1962) die verführerische junge Frau geben darf, brilliert Ava Gardner („Schnee am Kilimandscharo“, „Die barfüßige Gräfin“) als temperamentvolle Witwe und Unternehmerin, die – wie ihre Figur selbst sagt – sehr gut zwischen Liebe und „mit jemandem schlafen“ unterscheiden kann. 
Im Gegensatz zur herrschsüchtigen Miss Fellowes bildet die von Deborah Kerr („Verdammt in alle Ewigkeit“, „Die größte Liebe meines Lebens“) gespielte Hannah den klugen Ruhepol in diesem Drama, an dessen Ende wenigstens der zuvor zum Mästen und Verzehren gefangene Leguan seine Freiheit wiedergewinnt. Zwar schrammt Hustons Film immer mal wieder haarscharf am Hollywood-Kitsch vorbei, doch die starken Darstellerleistungen, die Oscar-prämierten Kostüme und die wunderbare Kameraarbeit von Gabriel Figueroa („Stoßtrupp Gold“, „Unter dem Vulkan“) machen „Die Nacht des Leguan“ zu einem sehenswerten Vergnügen voller vielschichtiger Emotionen. 

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