Todesmelodie

Kaum hatte der bis dato unbekannte Regieassistent und Second Unit Director Sergio Leone mit seiner aus den Filmen „Für eine Handvoll Dollar“ (1964), „Für ein paar Dollar mehr“ (1965) und „Zwei glorreiche Halunken“ (1966) bestehende „Dollar“-Trilogie dem Genre des Italo-Western seinen persönlichen Stempel aufgedrückt, machte er sich an eine noch ambitioniertere Trilogie. Dabei stellte sein Epos „Spiel mir das Lied vom Tod“ (aka „Once Upon A Time In The West“) aus dem Jahre 1968 noch einen Abgesang auf das Western-Genre dar. Drei Jahre später widmete er sich mit dem ursprünglich „C'era una volta la rivoluzione“ („Once Upon A Time A Revolution“) betitelten, schließlich in „Giù la testa“ („Todesmelodie“ bzw. „Duck, You Sucker“ oder „A Fistful Of Dynamite“) umbenannten Epos dem Übergang zur Moderne, die mit blutigen Kämpfen der Revolution eingeleitet wurde. 

Inhalt: 

Als der tölpelhaft wirkende, barfuß durch die mexikanische Wüste umherirrende Juan Miranda (Rod Steiger) darum bettelt, in einer Nobelkutsche zur nächsten Stadt mitgenommen zu werden, muss er sich von der feinen Gesellschaft etliche Beleidigungen über sich ergehen lassen, etwa über die Art seiner Herkunft und über die zahllosen Kinder, die er wahrscheinlich mit verschiedenen Frauen gezeugt habe. Doch am Ende ist es Miranda, der mit Schadenfreude beobachtet, wie seine sechs Söhne, die zu seiner Bande gehören, die Kutsche überfallen, den feinen Herren und der Dame die Wertsachen abnehmen und ihre überraschten Opfer auch noch nackt ausziehen lassen und in einem Wagen einen Abhang zum Vieh abschieben. Allein die Dame darf ihre Kleider anbehalten, macht dafür aber Bekanntschaft mit Mirandas Kindermacher. Miranda und seine Söhne feiern noch ihren gelungenen Coup, als ein Mann mit seinem Motorrad ihren Weg kreuzt. Miranda schießt ihm aus reinem Spaß den Hinterreifen kaputt. John Mallory (James Conurn) nimmt diesen außerplanmäßigen Halt scheinbar gelassen auf, revanchiert sich, indem er mit einer Stange Dynamit ein Loch in das Dach der Kutsche sprengt. 
So macht Miranda Bekanntschaft mit dem IRA-Aktivisten, der wegen Mordes an zwei britischen Soldaten gesucht wird und deshalb nach Mexiko geflohen ist. Miranda freundet sich mit Mallory an, als er feststellt, dass dieser am Körper einen ganzen Haufen Sprengstoff trägt. Dies könnte sich für seinen geplanten Überfall auf die Band in Mesa Verde als nützlich erweisen. 
In der Stadt stoßen die beiden auf eine Gruppe von Revolutionären, die von Dr. Villega (Romolo Valli) angeführt wird und plant, die Stadt zurückzuerobern. Miranda und Mallory fällt es dabei zu, die schwer bewachte Bank zu überfallen, wobei etliche Ablenkungsmanöver das von Colonel Ruiz (Domingo Antoine) angeführte Militär binden sollen. Der Coup gelingt, doch findet Miranda hinter den verschlossenen Türen nur inhaftierte Bürger statt Geld und Gold … 

Kritik: 

Leones „Todesmelodie“, so der deutsche Titel von „Giù la testa“, spielt im Jahr 1913, also mitten in der zwischen 1910 und 1929 stattfindenden Revolution in Mexiko, die ihren Anfang nahm, als der diktatorische Präsident Porfirio Díaz von den Oppositionellen um Francisco Madero zum Rücktritt zwangen, was aber nur weitreichende blutige Unruhen zwischen ganz unterschiedlichen Parteien zur Folge hatte. Dabei nahmen die vom einfachen Volk als Helden verehrten Emiliano Zapata und Francisco Villa eine besondere Rolle ein. 
Leones Film beginnt mit dem in großen weißen Lettern eingeblendeten Mao-Tse-Tung-Zitat „Die Revolution ist kein Festessen, kein literarisches Fest, keine Stickerei. Sie kann nicht mit Eleganz oder Artigkeit durchgeführt werden. Die Revolution ist ein Akt der Gewalt.“ 
Doch bevor das Revolutions-Thema in Fahrt kommt, präsentiert Leone eine Western-Komödie, die nicht nur den herablassenden Umgang der Reichen mit weniger privilegierten Menschen genüsslich ins Gegenteil verkehrt, sondern vor allem die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Miranda und Mallory als großes Missverständnis inszeniert. 
Dabei zeigen vor allem die immer wieder in Zeitlupe eingestreuten Rückblenden, worum es dem irischen Revolutionär geht. Der anfänglich humorvolle Ton weicht mit voranschreitender Handlung aber immer brutaleren Auseinandersetzungen zwischen dem rücksichtslosen Militär und den Revolutionären um Dr. Villega, dem sich in Mesa Verde auch Miranda und Mallory anschließen. So verschieden die beiden Männer auch sein mögen, freunden sie sich tatsächlich an, kämpfen Seite an Seite für eine Sache, die sie nicht gewinnen können. Fast genüsslich zelebriert Leone das gegenseitige Abschlachten zwischen den verfeindeten Lagern, das wiederholte Erschießen politischer Feinde durch die Soldaten auf der einen, das Niedermähen der Soldaten durch das Maschinengewehrfeuer von Miranda und Mallory auf der anderen Seite, wobei gewaltige Sprengstoffexplosionen dem Massaker noch die Krone aufsetzen. 
Am Ende werden bis 1929 über eine Million Mexikaner Opfer der Revolution, darunter auch die zu Volkshelden stilisierten Zapata und Pancho Villa. Gewalt, Freundschaft, Rache, Vergebung und Freundschaft sind die großen Themen dieses packenden Films, der durch Ennio Morricones ironisierende Musik noch an Ausdruckskraft gewinnt. Erst dreizehn Jahre später sollte Leone mit „Es war einmal in Amerika“ einen meisterhaften Abschluss seiner epischen Trilogie realisieren – und damit leider auch schon sein letztes Werk. 

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