Geheimring 99

Joseph Harold Lewis (1907-2000), Sohn russisch-jüdischer Immigranten, hielt sich in Hollywood zunächst mit einer Reihe von B-Movies in verschiedenen Genres über Wasser, ehe er ab 1945 mit Filmen wie „Mein Name ist Julia Ross“, „So Dark the Night“ und „Gefährliche Leidenschaft“ zu einem ernst zu nehmenden Vertreter des Film noir avancierte. 1955 inszenierte er mit „Geheimring 99“ einen zwar limitiert budgetierten, von Kameramann John Alton aber meisterhaft fotografierten Spät-Film-noir, der erst in den letzten Jahren seine verdiente Anerkennung erfuhr. 

Inhalt: 

Einmal mehr muss Captain Peterson (Robert Middleton) seinen bis zur Besessenheit übereifrigen Lieutenant Leonard Diamond (Cornel Wilde) davon abhalten, allzu kostspielige Unternehmungen in Angriff zu nehmen, um den skrupellosen Gangsterboss Mr. Brown (Richard Conte) festzusetzen, dem bislang keine Verfehlungen gegen das Gesetz nachzuweisen waren. Peterson unterstellt seinem Untergebenen nicht zu Unrecht, dass dieser vor allem private Gründe habe, sich so an Brown festzubeißen, nämlich in Browns Geliebte Susan Lowell (Jean Wallace) verliebt zu sein. Als Lowell ihren Aufpassern Fante (Lee Van Cleef) und Mingo (Earl Holliman) entwischen kann und nach einem Selbstmordversuch mit Tabletten auf der Tanzfläche eines Clubs zusammenbricht, versucht Diamond der benommenen Patientin im Krankenhaus Informationen zu entlocken, die ihn auf der Jagd nach Brown von Nutzen sein könnten, doch alles was er von ihr bekommt, ist der im Delirium geflüsterte Name Alicia. 
Auf der Suche nach weiterführenden Spuren lässt Diamond Browns Handlanger festnehmen, darunter Browns Killer-Duo Fante und Mingo sowie Joe McClure (Brian Donlevy), Browns früherer Boss und Hotelbesitzer, der alles an Brown verloren hat. Nachdem Browns Männer wieder auf freiem Fuß sind, nehmen Fante, Mingo und McClure Diamond in ihre Gewalt, foltern ihn, lassen ihn aber wieder frei, nur um wenig später versehentlich Diamonds Freundin Rita (Helene Stanton) statt ihn in seinem Apartment zu erschießen. Diamond erfährt, dass es sich bei Alicia um Browns frühere Ehefrau handelt, die wie vom Erdboden verschluckt zu sein scheint. 
Erst durch Browns ehemaligen Skipper Nils Dreyer (John Hoyt) kommt Diamond der Wahrheit allmählich auf die Spur, muss sich aber vor Browns Leuten in Acht nehmen, die gnadenlos die Spuren hinter den Verbrechen ihres Bosses verwischen … 

Kritik: 

Philip Yordan hat bereits mit seinen Drehbüchern zu „Jagd auf Dillinger“ (1945) und „Polizeirevier 21“ (1951) sein gutes Gespür für harte Polizei-Thriller unter Beweis gestellt. In seinem Skript zu „The Big Combo“ stellt er einen überraschend expliziten Bezug zwischen unterdrückter Sexualität und Gewalt her. Auf der einen Seite haben er und Regisseur Joseph H. Lewis mit dem Killer-Duo Fante und Mingo ein so offensichtlich wie möglich erscheinendes homosexuelles Paar etabliert, auf der anderen Seite steht die ungewöhnliche Beziehung, die die masochistisch veranlagte Susan Lovell mit dem sadistischen Gangsterboss Brown unterhält, während Lieutenant Diamond seine unausgelebte Sexualität in einem persönlichen Feldzug gegen Brown auslebt und sich zum Trost mit der Tänzerin Rita vergnügt, die allerdings genau weiß, dass das Herz ihres Freundes für eine andere, allerdings unerreichbar erscheinende Frau schlägt. 
Letztendlich lässt sich die Auseinandersetzung zwischen Cop und Gangster auf den Kampf um eine Frau reduzieren, doch dabei kommen etliche Unschuldige unter die Räder. Neben den starken Darstellern, die allesamt aus früheren Noir-Klassikern bekannt sind, ist es vor allem die stilistisch grandiose Kameraarbeit von John Alton („Geheimagent T“, „Flucht ohne Ausweg“, „Der Mann mit der Narbe“, „Schritte in der Nacht“, „Der Herr der Unterwelt“) und der pulsierende Jazz-Score von David Raksin („Laura“, „Mord in der Hochzeitsnacht“), die „Geheimring 99“ zu einem echten Film-noir-Highlight machen. 
Wie Alton gerade im Showdown mit Nebel sowie dem Kontrast von Schlagschatten und grellen Lichtakzenten eine unheimliche Atmosphäre kreiert, bleibt einfach unerreicht und lässt Diamond und Lowell in eine ungewisse Zukunft dahingehen.  

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