Verfolgt

Schauspieler, Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Raoul Walsh (1887-1980) hat seit Mitte der 1910er Jahre schon eine Vielzahl meist unbedeutender Werke inszeniert, ehe er mit „Die wilden Zwanziger“, „Entscheidung in der Sierra“, „Nachts unterwegs“ und „Sprung in den Tod“ seine Meisterschaft im Film-noir-Genre unter Beweis stellte. 1947 entstand mit „Verfolgt“ (deutscher Alternativtitel: „Späte Rache“) ein Western, der in seiner Bildgestaltung und psychologischer Ausrichtung noch viele Noir-Elemente enthielt und so zu einem wunderbar gespielten und souverän inszenierten Noir-Western avancierte. 

Inhalt: 

Nachdem Jeb Rand (Robert Mitchum) als Kind mitansehen musste, wie sein Vater und seine Schwester ermordet wurden, plagen ihn immer wieder schreckliche Alpträume, die ihm aber auch als erwachsener Mann nichts darüber erzählen können, was damals wirklich geschah. Er erinnert sich nur daran, dass er von Mrs. Callum (Judith Anderson) aufgenommen wurde und mit ihren Kindern Thor (Teresa Wright) und Adam (John Rodney) zusammen aufwuchs. Erst als Erwachsener erfährt er, dass seine Familie Opfer einer Familienfehde zwischen den Callums und den Rands wurde. 
Der Staatsanwalt Grant Callum (Dean Jagger) setzt immer noch alles daran, den Tod seines Bruders zu rächen, der von Jebs Vater erschossen wurde und so seine Frau und die beiden Kinder zurückließ. Als der Spanisch-Amerikanische Krieg ausbricht, losen Jeb und Adam mit einer Münze aus, wer von beiden gegen die Spanier kämpft. Zu Thors Leid fällt die Wahl auf Jeb, der allerdings im Krieg verwundet wird und als Held heimkehrt. Davon sind weder Grant Callum noch Adam begeistert. Adam hält Jeb vor, nichts zu dem ihm gesammelten Gewinn der Ranch beigetragen zu haben, und stellt sich auch gegen die Heirat zwischen Jeb und Thor. 
Als erneut gelost wird – diesmal um die Ranch -, verliert Jeb erneut, bekommt aber vom Spielsalon-Betreiber Jake Dingle (Alan Hale) das Angebot, sich bei ihm einzukaufen. Doch als Jeb sowohl Adam als auch Thors neuen Verehrer Prentice (Harry Carey Jr.) in Notwehr erschießt, will ihn Grant Callum hängen sehen … 

Kritik: 

Nach einem Drehbuch von Niven Busch, der bereits die Vorlagen zu William Wylers „In die Falle gelockt“, Tay Garnetts Adaption des Romans „The Postman Always Rings Twice“ von James M. Cain und King Vidors Western-Drama „Duell in der Sonne“ geschrieben hatte, inszenierte der in nahezu allen Genres beheimatete Raoul Walsh mit „Pursued“ ein Drama, das vor der beeindruckenden Kulisse von Gullup und den Red Rock State Park in New Mexico eine spät, aber nicht vollständig aufgelöste Familienfehde in den Mittelpunkt stellt, der bereits einige Unschuldige zum Opfer gefallen sind. Dem skrupellosen und unnachgiebigen Staatsanwalt Grant Callum ist dies aber noch nicht genug. Sein Rachefeldzug gegen Jeb Rand und damit gegen den Letzten der Rand-Sippe bildet die dramatische Rahmenhandlung, in der Robert Mitchum als Waise und Getriebener überzeugt, doch psychologisch interessanter sind die Rollen von Mrs. Callum und ihrer Tochter Thor aufgebaut. 
Bevor sich am Ende Thors Mutter – großartig von „Rebecca“-Nebendarstellerin Judith Anderson verkörpert – als Dreh- und Angelpunkt des Dramas herauskristallisiert, bleiben vor allem Thors Gefühle lange undurchschaubar. Während die Rache-Thematik nicht ganz überzeugt, sind die aufbrausenden Emotionen innerhalb der Callum-Familie gut aufbereitet. Dazu sorgen Walshs feine Inszenierung, James Wong Howes („Der alte Mann und das Meer“, „Der Wildeste unter Tausend“) eindrucksvolle, kontrastreiche Schwarz-Weiß-Bilder und Max Steiners („Vom Winde verweht“, „Casablanca“) vitaler Score dafür, „Verfolgt“ zu einem besseren Drama zu machen, als es seiner Bekanntheit entspricht. 

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