Engelsgesicht
Mit seinem Welterfolg „Laura“ (1944) und den darauffolgenden Filmen „Mord in der Hochzeitsnacht“ (1945), „Frau am Abgrund“ und „Faustrecht der Großstadt“ (beiden 1950) hat sich Otto Preminger im Film-noir-Genre einen Namen machen können. Mit „Engelsgesicht“ (1953) konnte er zwar zumindest an den Erfolg von „Laura“ nicht anknüpfen, aber die Darstellungen von Jean Simmons und Robert Mitchum sind ebenso sehenswert wie die hervorragende Kameraarbeit von Oscar-Preisträger Harry Stradling Sr.
Inhalt:
Der Krankenwagenfahrer Frank Jessup (Robert Mitchum) wird eines Nachts mit seinem Kollegen in eine Villa nach Beverly Hills gerufen, wo Catherine Tremayne (Barbara O’Neil), die wohlhabende Frau des Schriftstellers Charles Tremayne (Herbert Marshall), knapp einer Gasvergiftung entkommen ist. Da Polizei und der behandelnde Arzt die Lage im Griff zu haben scheinen, zieht sich Jessup unverrichteter Dinge wieder zurück, bemerkt dabei aber die Klavier spielende Diane (Jean Simmons), die 19-jährige Tochter aus der ersten Ehe des Autors. Sie folgt Jessup in sein Stammlokal und fasziniert ihn durch ihre kokette Art, worauf er das Abendessen mit seiner Freundin Mary Wilton (Mona Freeman) absagt.
Als der ehemalige Rennfahrer der jungen Frau von seinem Traum erzählt, eine Werkstatt für Rennwagen aufzumachen, für die ihm aber noch 6000 Dollar fehlen, bietet ihm Diane an, seine Idee zu finanzieren, und sorgt dafür, dass ihre Stiefmutter Frank als Chauffeur anheuert. Die Bekanntschaft mit Diane stellt nicht nur Franks Beziehung zu Mary vor Probleme. Je besser er Diane kennenlernt, die ihren Vater über alles liebt, ihre Stiefmutter aber abgrundtief hasst, desto mehr zweifelt er an der Entscheidung, seinen Job gewechselt und sich auf eine Beziehung zu Diane eingelassen haben. Sie lässt nichts unversucht, ihr Glück mit Frank unter Dach und Fach zu bringen …
Kritik:
Otto Preminger verfilmte mit „Angel Face“ eine Kurzgeschichte von Charles Erskine, die Oscar Millard, Frank S. Nugent und Oscar-Gewinner Ben Hecht zu einem filmreifen Drehbuch verarbeiteten. Hecht hatte bereits an den Drehbüchern zu Alfred Hitchcocks „Der Auslandskorrespondent“, „Das Rettungsboot“, „Ich kämpfe um dich“, „Berüchtigt“ und „Der Fall Paradin“ mitgewirkt, dazu Erfahrungen bei der Arbeit an den Film-noir-Klassikern „Gilda“, „Faustrecht der Großstadt“ und „Der Todeskuss“ gesammelt.
„Engelsgesicht“ ist ganz auf die Hauptdarstellerin Jean Simmons („Spartacus“, „Hamlet“) zugeschnitten, die RKO-Besitzer Howard Hughes für diese Produktion von dem englischen Filmstudio von J. Arthur Rank herausgekauft hatte. Simmons spielt in dem stark von der Psychoanalyse Sigmund Freuds beeinflussten Drama die psychopathische Tochter, die nach dem Tod ihrer Mutter in fast inzestuöser Intensität auf ihren Vater fixiert ist, aber hilflos mitansehen musste, wie dieser nach der Heirat mit der unterkühlten, aber wohlhabenden Catherine keine Zeile mehr zu Papier gebracht hat und darauf angewiesen ist, seine Wünsche mit dem „Taschengeld“ seiner Frau zu befriedigen.
Robert Mitchum („Späte Rache“, „Goldenes Gift“) überzeugt zwar als cooler Typ, der sich zwischen seiner gutmütigen Freundin und der aufreizenden Diane entscheiden muss und durch Dianes Anziehungskraft wortwörtlich in den Abgrund gezogen wird, doch gehört seiner weiblichen Co-Darstellerin eindeutig das Parkett. Die psychoanalytische Komponente wird sicher im Zuge der dramatischen Erhöhung etwas überstrapaziert, aber Preminger inszeniert „Engelsgesicht“ mit souveräner Hand und bringt mit Hilfe seines Kameramanns Harry Stradling Sr. („Endstation Sehnsucht“, „My Fair Lady“) immer wieder beeindruckende Bilder zustande, die von Dimitri Tiomkins packenden Score wunderbar untermalt werden und auch heute noch sehr unterhaltsam sind.
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