Sturm über Washington
Während Otto Preminger vor allem durch seine Beiträge im Genre des Film noir – „Laura“, „Mord in der Hochzeitsnacht“, „Frau am Abgrund“, „Faustrecht der Großstadt“, „Engelsgesicht“ und „Der Mann mit dem goldenen Arm“ – berühmt geworden ist, hat er sich auch stets in unterschiedlichen anderen Genres behaupten können, so in den historischen Dramen „Amber, die große Kurtisane“, „Skandal bei Hofe“ und „Exodus“, in dem Musical „Porgy und Bess“ oder in dem Marilyn-Monroe-Abenteuer-Drama „Fluss ohne Wiederkehr“.
Sein inszenatorisches Können und sein Faible für unbequeme Themen stellte er auch 1962 in dem politischen Kammerspiel „Sturm über Washington“ unter Beweis.
Während seiner zweiten Amtszeit will der schwerkranke US-amerikanische Präsident (Franchot Tone) noch ein Zeichen setzen und den extrem liberalen Robert Leffingwell (Henry Fonda) zum Außenminister machen, doch muss die Nominierung noch vom Senatsausschuss abgesegnet werden. Hier kommt es schnell zur erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Leffingwells Befürwortern und Gegnern. Vor allem der ebenso betagte wie rhetorisch gewandte und gerissene Südstaaten-Senator Cooley (Charles Laughton) setzt alles daran, den Kandidaten des amtierenden Präsidenten zu diffamieren, wobei er einen Zeugen aussagen lässt, der Leffingwells früheres Engagement in kommunistischen Zirkeln beschreibt. Aber auch der forsch auftretende Senator Anderson (Don Murray) stürzt sich darauf, Leffingwell in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen.
Da hat Senator Munson (Walter Pidgeon) als Vorsitzender der Mehrheitsfraktion trotz der Unterstützung des machthungrigen Senators Van Ackerman (George Grizzard) alle Hände zu tun, genügend Stimmen für die Nominierung des Wunschkandidaten des Präsidenten zusammenzubekommen. Aber auch in der Fraktion von Leffingwells Befürwortern wird mit harten Bandagen gekämpft. So wird Andersons Frau Ellen (Inga Swenson) mit erpresserischen Anrufen gepeinigt, die auch ihren Mann verzweifeln lassen. Als die ersten Toten in diesem perfiden Machtspiel zu beklagen sind, kommt es überstürzt zur Abstimmung im Senat, bei der es schließlich auf die Stimme des konturlosen Vizepräsidenten (Lew Ayres) ankommt, der den Vorsitz über den Senat führt …
Kritik:
Preminger hat sein Politdrama nach dem Roman „Macht und Recht“ von Allen Drury, einem 1960 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten politischen Korrespondenten der New York Times, inszeniert und wirft mit „Advise & Consent“ – so der Originaltitel – einen unterhaltsamen Blick hinter die Kulissen der politischen Entscheidungsfindung in Washington.
Während die Debatte im Senat zunächst noch durch fein geschliffene und spitzzüngige Dialoge geprägt wird, nimmt die nachfolgende Auseinandersetzung zwischen den Befürwortern und Gegnern des für den Außenminister nominierten Leffingwell immer drastischere Züge an, in der die Kontrahenten alle Register ziehen, um ihre politischen Gegner zu diffamieren, zu erpressen und letztlich außer Gefecht zu setzen. Das bekommt nicht nur Leffingwell selbst zu spüren, der selbst seinem aufgeweckten Sohn gegenüber Schwierigkeiten dabei hat, die Rhetorik des Lügens in der politischen Arena zu rechtfertigen, sondern auch Senator Anderson, der sich als besonders erbitterte Gegner von Leffingwell erweist und der auf eine Weise erpresst wird, dass sein Leben und das seiner Familie völlig aus den Fugen gerät.
So famos in der heutigen Zeit die Politdrama-Serie „House of Cards“ die Intrigen auf höchster politischer Ebene in Dauerschleife inszeniert hat, gelingt es Preminger mit weitaus einfacheren Mitteln, die komplexen Entscheidungsprozesse im US-amerikanischen Senat aufzuzeigen. Dabei geht es ihm gar nicht darum, einen Kampf gegen politische Ideologien zu führen, sondern einfach aufzuzeigen, unter welchen Voraussetzungen politische Entscheidungen zustande kommen.
Welche Auswirkungen das auf die Familie haben kann, zeigen Preminger und sein Drehbuchautor Wendell Mayes („Ein Mann sieht rot“, „Anatomie eines Mordes“) exemplarisch am Schicksal des ambitionierten Senators Anderson, wobei Preminger ungewohnt offen das Thema Homosexualität präsentiert und erstmals in einem Hollywood-Film nach dem Zweiten Weltkrieg eine Szene in einer Schwulen-Bar zeigt (bei der
Frank Sinatras „Heart Of Mine“ in einer speziellen Aufnahme aus der Jukebox tönt).
Einen Verweis auf die Ära des Komitees für unamerikanische Umtriebe, das gerade vielen Filmschaffenden in Hollywood ein Arbeitsverbot bescherte, bleibt Preminger allerdings schuldig. Henry Fonda kann als Nominierter für den Posten des Außenministers kaum Akzente setzen, taucht im entscheidenden Akt sogar gar nicht mehr auf. Dafür glänzt Charles Laughton in seiner letzten Filmrolle (er war bereits während der Dreharbeiten an Krebs erkrankt) als gewohnt charismatische Figur, die geschickt im Hintergrund die Fäden zieht.
Die scharf gezeichneten Schwarzweiß-Bilder von Sam Leavitt („Flucht in Ketten“, „Ein Köder für die Bestie“) machen dieses Politdrama noch sehenswerter.
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