Der schwarze Spiegel

Der 1900 in Dresden geborene Robert Siodmak fand nach dem Umweg über Frankreich 1940 den Weg ins Exil in die USA, wo er sich mit Filmen wie „Zeuge gesucht“, „Unter Verdacht“, „Die Wendeltreppe“ und „Rächer der Unterwelt“ zu einem der führenden Regisseure im Film-noir-Genre etablierte. 1946 entstand mit „Der schwarze Spiegel“ ein kammerspielartiges Thriller-Drama mit Olivia de Havilland in einer faszinierenden Doppelrolle. 

Inhalt: 

In einem Apartmenthaus wird der bekannte Arzt Dr. Perada ermordet aufgefunden. Nach der Befragung der Zeugen und Peradas Sekretärin ist der ermittelnde Lieutenant Stevenson (Thomas Mitchell) überzeugt, dass Perada zur Tatzeit mit seiner Freundin Terry Collins (Olivia de Havilland) zusammen gewesen ist, die die Nachbarn gegen halb Uhr abends aus seiner Wohnung haben kommen gesehen. Wie Stevenson von Peradas Sekretärin erfährt, arbeitet Terry am Zeitungskiosk der im Parterre gelegenen Mall des Apartmenthauses, wo er die von Zeugen identifizierte junge Dame nach ihrem Alibi für die vergangene Nacht befragt. Sie sei im Park spazieren gegangen, habe mit Freunden einem Konzert beigewohnt und sich mit einem Streifenpolizisten unterhalten. Als er Terry später in ihrer Wohnung aufsucht, wird ihm einiges klar: Terry hat nämlich eine Zwillingsschwester namens Ruth (Olivia de Havilland). 
Da sich beide Frauen kaum voneinander unterscheiden lassen und sich auch keine von ihnen zur Tat bekennen will, stehen Stevenson und Bezirksstaatsanwalt Girard (Charles Evans) vor einem Dilemma, denn es können nicht auf gut Glück beide Frauen des Mordes an Perada angeklagt werden. Nun soll der Psychiater Dr. Scott Elliott (Lew Ayres), der sich von Berufs wegen mit der Zwillingsforschung befasst, herausfinden, ob Terry oder Ruth für den Mord in Frage kommen. Da Ruth und Terry das Geld gut gebrauchen können, lassen sie sich darauf ein, sich jeweils getrennt dreimal die Woche von dem Psychiater befragen zu lassen. Durch Rorschach-Tests und Blutdruckmessungen findet er schnell heraus, dass eine der Schwestern wahnsinnig ist … 

Kritik: 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die psychoanalytischen Theorien von Sigmund Freud auch in Hollywood immer öfter in psychologischen Thriller-Dramen thematisiert. Vladimir Pozners („Der Ring der Verschworenen“, „Vor Tagesanbruch“) Originalgeschichte, die mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde, hat Produzent Nunnally Johnson zu einer Story verarbeitet, die mit der kniffligen Herausforderung beginnt, eine von zwei Zwillingsschwestern des Mordes zu überführen. 
Im weiteren Verlauf der Geschichte dienen vor allem die Einzel-Befragungen von Ruth und Terry durch Dr. Elliott dazu, die unterschiedlichen Persönlichkeiten der beiden Damen herauszuarbeiten. Während sich Terry und Ruth immer wieder einen Spaß daraus machen, sich für die jeweils andere Schwester auszugeben, wird Dr. Elliott aber zunehmend klar, welche der hübschen Frauen zu einem Mord fähig ist. Kameramann Milton R. Krasner („Alles über Eva“, „Das verflixte 7. Jahr“) und Effekt-Spezialist Eugen Schüfftan („Metropolis“, „Haie der Großstadt“) setzen die Zwillingsschwestern zunächst noch ins gleiche helle Licht, doch als Terry beginnt, Ruth durch inszenierte Vorfälle davon zu überzeugen, an Halluzinationen zu leiden, setzen sie gezielt Hell-Dunkel-Kontraste in der Bildgestaltung ein, um die unterschiedlichen Persönlichkeiten herauszustellen. 
Siodmak inszeniert das Krimi-Drama gewohnt souverän, Olivia de Havilland („Die Erbin“, „Die Schlangengrube“) überzeugt in ihrer Doppelrolle ebenso wie Thomas Mitchell als Lieutenant, nur die Story macht es sich letztlich zu leicht, das Rätsel des Mordes zu erklären. 
Doch auch wenn „Der schwarze Spiegel“ zu den schwächeren Film noirs von Robert Siodmak zählt, unterhält der Film vor allem durch die gekonnten Trickaufnahmen von Olivia de Havilland in den Rollen der beiden Zwillingsschwestern und die allmählich sich steigernde bedrohliche Atmosphäre zum Finale hin.  

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