Dracula jagt Mini-Mädchen

Nachdem der Hammer-Film-Productions-Klassiker „Dracula“ (1958) etliche mehr oder weniger gelungene Fortsetzungen erfahren hat, sah sich das Londoner Filmstudio gezwungen, Anfang der 1970er einen neuen Weg einzuschlagen. Nachdem die bisherigen „Dracula“-Filme noch eine viktorianische Grusel-Atmosphäre versprühten und der letzte Film der Reihe – „Dracula – Nächte des Entsetzens“ (1970) – fürchterlich gefloppt war, verlegten die Filmemacher das Geschehen mit „Dracula jagt Mini-Mädchen“ (1972) in die Gegenwart und ließen erstmals nach „Dracula“ wieder Christopher Lee und Peter Cushing gegeneinander antreten. 

Inhalt: 

Hundert Jahre nach der letzten Auseinandersetzung zwischen Lawrence Van Helsing (Peter Cushing) und Graf Dracula (Christopher Lee), die nach dem Unfall mit einer Pferdekutsche für beide Beteiligten tödlich endete, bemüht sich der charismatische Johnny Alucard (Christopher Neame), seine gelangweilte Hippie-Clique im London anno 1972 mit neuen Erfahrungen zu konfrontieren. In einer verlassenen Kirche veranstaltet Alucard ein Ritual, bei dem die bekiffte Laura Bellows (Caroline Munro) sich in einem blutigen Ritual zur Wiedererweckung des Vampirfürsten zur Verfügung stellt. Wenig später wird ihre blutleere Leiche von Scotland Yards Inspektor Murray (Michael Coles) aufgefunden, weshalb er den renommierten Professor Lorrimer Van Helsing (Peter Cushing), Urenkel des berühmten Vampirjägers, aufzusuchen. Der erkennt nach weiteren Leichenfunden mit typischen Bisswunden am Hals, dass der Name des gesuchten Alucard ein Anagramm von Dracula darstellt. 
Da die aufgefundenen Verstorbenen allesamt aus dem Freundkreis von Van Helsings Enkelin Jessica (Stephanie Beacham) stammen, sorgt sich der Professor auch um ihr Wohl und bringt sie woanders unter. Doch das hält den wiedererweckten und auf Rache an Van Helsings Familie sinnenden Dracula nicht davon ab, sie von seinen Jüngern in seine Gewalt zu bringen. Van Helsing und den Ermittlern von Scotland Yard läuft die Zeit davon … 

Kritik: 

Nur die temporeiche Eröffnungssequenz, in der Dracula und Van Helsing auf einer rasenden Kutsche miteinander ringen und schließlich zu Tode kommen, erinnert noch an die vorangegangenen „Dracula“-Filme, die zuletzt immer weniger Zuschauer in die Kinos gelockt haben. Viktorianischer Grusel war Anfang der 1970er einfach nicht mehr angesagt. Also engagierten Hammers Produzenten mit Don Houghton einen unverbrauchten neuen Autoren, der auch die Skripts zu den nachfolgenden Sequels „Dracula braucht frisches Blut“ und „Die 7 goldenen Vampire“ schreiben sollte, und mit Alan Gibson („Crescendo – Die Handschrift des Satans“) ein ebenso fast unbeschriebenes Blatt für die Regie. Neuen Schwung sollten auch Dick Bush („Victor/Victoria“, „Yanks – Gestern waren wir noch Fremde“) an der Kamera und Michael Vickers mit seinem hippen Jazz-Soundtrack sorgen. Allerdings wird die schwarze Messe, wie wir sie schon in „Wie schmeckt das Blut von Dracula?“ schon gesehen haben, nicht dadurch interessanter, indem nach einem Zeitsprung von hundert Jahren alte Leute durch zugedröhnte Hippies ersetzt werden. Zwar geben sich Regisseur Gibson und Kameramann Bush alle Mühe, den Zeitgeist der 1970er in London einzufangen, doch kommt dabei nur selten Gruselstimmung auf. Das liegt nicht nur an den spärlichen Szenen von Christopher Lee als Dracula, sondern auch an der fehlenden Atmosphäre, in der sein Rachefeldzug adäquat zur Geltung kommen kann. Allein Alt-Star Peter Cushing kann hier als engagierter Kenner des Okkulten auch darstellerische Akzente setzen. 
Ansonsten steht „Dracula A.D. 1972“ – so der Originaltitel – stellvertretend für den Niedergang der Hammer Filmstudios in den 1970er Jahren.  

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