Exodus
Otto Preminger (1905-1986) hat während seiner langen und erfolgreichen Karriere als Film-Produzent und -Regisseur immer wieder unbequeme Themen angepackt. So besetzte er das Musical „Carmen Jones“ nur mit schwarzen Darstellern, verfilmte mit „Die heilige Johanna“ (1957) den Inquisitionsprozess gegen die minderjährige Joan of Arc und zeigte mit „Der Mann mit dem goldenen Arm“ (1955) die Auswirkungen der Heroinsucht. Nach seinem meisterhaften Justiz-Drama „Anatomie eines Mordes“ (1959) verfilmte Preminger 1960 den Roman „Exodus“ von Leon Uris und thematisierte die Entstehung des Staates Israels mit Paul Newman und Eva Marie Saint in den Hauptrollen.
Nachdem ihr Mann als Kriegsfotograf vor einem Jahr ums Leben gekommen ist, sucht die US-amerikanische Krankenschwester Katherine „Kitty“ Fremont (Eva Marie Saint) 1947 nach Zypern, wo in einem Internierungslager tausende Juden aus ganz Europa untergebracht sind. In der Regel haben sie den Aufenthalt in einem der Konzentrationslager der Nazis überlegt und hoffen, in das von den Briten kontrollierte Palästina auszuwandern, um dort einen jüdischen Staat zu errichten. Die Briten verfolgen jedoch eher den Plan, ihr Mandat über Palästina zugunsten einer gemeinsamen jüdisch-arabischen Regierung aufzugeben. Kitty bittet dem britischen General Sutherland (Ralph Richardson) an, im Internierungslager als Krankenschwester auszuhelfen. Dort lernt sie den rebellischen 17-jährigen Dov Landau (Sal Mineo) kennen, der in Auschwitz im Sonderkommando dafür zuständig war, mit Sprengstoff die Massengräber für seine jüdischen Mitbürger zu gestalten, und von dem Wachpersonal sexuell missbraucht wurde. Seine Wunden lässt er nur von dem 15-jährigen deutsch-jüdischen, aus Dänemark stammenden Mädchen Karen Hansen (Jill Haworth) behandeln, die auf der Suche nach ihrem vermissten Vater ist.
Währenddessen unterbreitet der aus Palästina auf geheimen Wegen nach Zypern gelangte Ari Ben Canaan (Paul Newman), Offizier in der zionistischen paramilitärischen Untergrundorganisation Hagana, dem gut vernetzten und hilfsbereiten Zyprioten Mandria (Hugh Griffith) den Plan, mit einem Frachter über 600 Juden aus dem Lager nach Palästina zu bringen. Dazu verkleidet sich Ari als britischer Offizier, legt den beteiligten britischen Militärstellen einen gefälschten Befehl vor und schafft es tatsächlich, die Juden auf das Schiff bringen zu lassen, die die Juden offiziell nach Hamburg bringen soll.
Als General Sutherland von der Aktion erfährt, lässt er das Schiff im Hafen jedoch festsetzen, allerdings nicht entern, nachdem die Hagana angekündigt hat, das ganze Schiff mit Dynamit in die Luft zu sprengen. Durch einen Hungerstreik gelingt es Ari, den in „Exodus“ umbenannten Frachter nach Palästina zu bringen, wo Karen und Dov dem Kibbuz Gan Dafna zugeteilt werden, in dessen Nähe auch Aris Eltern und Schwester leben. Während sich Kitty und Ari, die sich auf der „Exodus“ kennengelernt haben, ineinander verlieben, kommen sich auch Karen und Dov näher, der sich der von Aris Onkel Akiva angeführten Ortsgruppe der terroristischen zionistischen Untergrundorganisation Irgun anschließt.
Nachdem die Irgun einen Bombenanschlag auf das King David Hotel verübt haben, der über 90, darunter viele britische Todesopfer forderte, werden alle Strippenzieher aus Dov von den Briten gestellt und zum Tode verurteilt. Ari und seine Leute verbünden sich mit der zunächst skeptischen Irgun, um Akiva und seine Gefolgsleute aus dem Gefängnis zu befreien …
Kritik:
Auch wenn der mehr als 800 Seiten umfassende Wälzer von Leon Uris es nach der Drehbuchfassung von Dalton Trumbo immer noch auf fast dreieinhalb Stunden Spielzeit bringt, scheint die Geschichte vor der Gründung des Staates Israel in „Exodus“ noch immer stark vereinfacht. Nun hat bereits die Romanvorlage historische Begebenheiten mit fiktionalen Ereignissen verknüpft, um die Dramatik zu erhöhen. So stehen in dem monumentalen Drama vor allem vier Personen mit ganz unterschiedlichen Ambitionen im Mittelpunkt. Zunächst wird die Amerikanerin Kitty als gänzlich Unbeteiligte und Unvoreingenommene eingeführt. Sie ist nach Zypern gereist, um sich vor allem von General Sutherland bestätigen zu lassen, wie ihr Mann ums Leben gekommen ist, wird aber zunehmend in die Nöte der Juden einbezogen, die in Palästina eine neue Heimat finden wollen.
Preminger und Trumbo bedienen sich vieler Vereinfachungen und lassen die arabische Seite fast komplett außer Acht. Der von John Derek verkörperte Araber Taha dient hier als eines der ausgewählten Musterbeispiele für die Menschen, die ein respektvolles Zusammenleben zwischen Juden und Arabern propagieren. Preminger erweist sich allerdings als souveräner Architekt der verschiedenen Erzählstränge, die sich sowohl auf die persönlichen Motive der Beteiligten bis hin zu ihren romantischen Verstrickungen als auch auf die (gesellschafts-)politischen Bedürfnisse beziehen.
Die Oscar-nominierte Kameraarbeit von Sam Leavitt („Flucht in Ketten“, „Anatomie eines Mordes“) und der Oscar-prämierte Score von Ernest Gold („Eine total, total verrückte Welt“, „Das letzte Ufer“) leisten dabei ebenso ihren Beitrag wie die guten Darsteller, unter denen Paul Newman allerdings keine wichtigere Rolle einnimmt als Eva Marie Saint, der mit einer Oscar-Nominierung bedachte Sal Mineo oder die junge Jill Haworth.
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