Boogie Nights

Bereits mit seinem Spielfilmdebüt „Last Exit Reno“ (1996) hat Paul Thomas Anderson ein starkes Gespür dafür entwickelt, das Leben von Menschen in ungewöhnlichen Situationen so natürlich zu schildern, dass man sich als Zuschauer sofort heimisch in der exotischen Umgebung fühlt. Andersons darauffolgender Film entführt das Publikum in die anrüchige Szene der Pornoindustrie und ist doch ganz und gar nicht schmuddelig geraten, sondern schildert in zweieinhalb Stunden den ganz gewöhnlichen Überlebenskampf der Menschen, die dort ihr Geld verdienen. 

Inhalt:

Als der renommierte Porno-Filmemacher Jack Horner (Burt Reynolds) mit seinem Lieblings-Pornostar Amber Waves (Julianne Moore) eines Abends im Jahr 1977 in den Nachtclub von Maurice Rodriguez (Luis Guzmán) geht, ist er sofort von der 17-jährigen Aushilfe Eddie Adams (Mark Wahlberg) angetan, der offensichtlich über ein gigantisches Gemächt verfügt. Eddie ist sofort von Jacks Angebot begeistert, eine Karriere im Porno-Business zu starten. Schließlich wohnt er noch zu Hause, jobbt tagsüber in einer Autowaschanlage und nachts in dem Club im San Fernando Valley. 
Im Club arbeitet auch Brandy (Heather Graham), die die Highschool abgebrochen hat, bei Jack und Amber lebt und nur Rollergirl genannt wird, weil sie ihre Rollerskates nie auszieht – auch nicht beim Sex. Nachdem sich auch Produzent The Colonel James (Robert Ridgely) von Eddies Ausstattung überzeugt hat, darf Eddie unter seinem Künstlernamen Dirk Diggler in seinem ersten Film gleich mit Amber Sex haben und überzeugt die gesamte Crew. Innerhalb kürzester Zeit avanciert Dirk Diggler zum erfolgreichsten Darsteller der Branche, was ihn nach höheren Zielen streben lässt. Zusammen mit seinem Kollegen und Freund Reed Rothchild (John C. Reilly) will er in einer Action-Serie ins ernsthafte Schauspielfach wechseln. Der Coup gelingt, doch mit dem wachsenden Ruhm und Reichtum steigt auch der Koks-Konsum und die Arroganz gegenüber dem Mann, der ihn zum Star gemacht hat. Während Eddie seinen Lebensunterhalt nun als Kleinganove zu verdienen versucht, träumt sein Kollege Buck (Don Cheadle) davon, ein eigenes Geschäft für Hi-Fi-Geräte zu eröffnen und eine Familie zu gründen. Dagegen ist Horners Assistent Little Bill (William H. Macy) zunehmend genervt davon, dass seine Frau (Pornostar Nina Hartley) es überall ständig mit fremden Männern treibt, auch auf offener Straße und umringt von einer Schar Schaulustiger. 
Als Jack von dem Geschäftsmann Floyd Gondolli (Philip Baker Hall) an Silvester 1999 der Vorschlag unterbreitet wird, von Film auf Video umzusteigen, schickt er ihn zum Teufel, denn Jack will nach wie vor wertvolle Filme mit echten Schauspielern realisieren… 

Kritik: 

Es braucht nicht mal eine Minute, bis „Boogie Nights“ sein Publikum mit treibender Disco-Musik und der schillernden Nachtclub-Atmosphäre in den Bann gezogen hat. Hier wird (Porno-)Filmgeschichte geschrieben, als Jack das Potential des gerade mal 17-jährigen, noch zu Hause wohnenden und mühsam zur Arbeit pendelnden Eddie Adams erkennt. Als er ihn in seine Villa einlädt, genießt er es einfach nur zuzusehen, wie seine jüngste Entdeckung auf dem Sofa vor ihm mit Rollergirl schläft. 
Auch wenn Andersons zweiter Film im Porno-Geschäft spielt, verzichtet er doch Sex-Szenen, wie sie in solchen Produktionen zu sehen sind. Anderson geht es auch weniger um das Porno-Business als um die Menschen, die dort ihr Geld verdienen. Jack Warner möchte richtige Filme machen, aber für seine Crew und Darsteller ist es vor allem ein Job.  
„Boogie Nights“ ist ein Film über den Erfolg und das Scheitern, über die Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung. Amber, die eigentlich Maggie heißt, kämpft um das Sorgerecht ihres Sohnes, hat aber wegen ihrer Tätigkeit kaum Chancen. Sowohl für Rollergirl als auch Eddie/Dirk stellt sie eine Art Ersatzmutter dar, und tatsächlich fragt Rollergirl Amber später, ob sie nicht ihre Mutter sein möchte. „Boogie Nights“ ist vor allem auch ein Film darüber, wie Menschen mit Schicksalsschlägen umgehen, wie sie wieder in die Spur kommen und – wie im Fall von Rollergirl - beispielsweise ihren Schulabschluss nachholen oder – wie Buck – ganz die Branche wechseln und sich ein bürgerliches Leben mit Frau und Kind aufbauen. 
Anderson, der auch das Drehbuch verfasst hat, entwickelt ein wunderbares Gespür für seine Figuren und treibt seine Darsteller – allen voran Mark Wahlberg, Burt Reynolds, Philip Seymour Hoffman, Julianne Moore und William H. Macy – zu Höchstleistungen an. 
Kein Wunder, dass viele Gesichter auch in Andersons nachfolgenden Filmen zu sehen sind. Der knackig-fetzige Disco-Soundtrack und die hinreißenden Bilder von Kameramann Robert Elswit verleihen dem grandios inszenierten Meisterwerk den letzten Schliff. Dabei verströmt „Boogie Nights“ gleichermaßen komische wie dramatische Elemente, ist voll gespickt mit unvorhergesehenen Ereignissen, die einen Menschen schon mal aus der Bahn werfen können. Das wirkt so natürlich, dass man nach zweieinhalb Stunden schon etwas enttäuscht ist, dass der Film vorbei ist.  

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