Der Tiger von Eschnapur

Nach zwanzig Jahren im US-amerikanischen Exil kehrte Fritz Lang („Dr. Mabuse, der Spieler“, „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“) 1957 nach Deutschland zurück, wo er das Angebot des einflussreichen Produzenten Artur Brauner annahm, ein drittes Mal den 1918 erschienenen Roman „Das indische Grabmal“ von Langs Ex-Frau Thea von Harbou zu verfilmen – nach Joe Mays zweiteiligen Film „Das indische Grabmal“ (1921) und Richard Eichbergs Doppel-Film „Der Tiger von Eschnapur“ und „Das indische Grabmal“ (1938). Dabei werden neben dem kitschigen Liebesdrama vor allem die Differenzen zwischen der europäischen und indischen Kultur in den Vordergrund gestellt. 

Inhalt: 

Um ein aufwendiges Bauprojekt für den indischen Maharadscha Chandra (Walther Reyer) in Eschnapur zu realisieren, reist der deutsche Architekt Harald Berger (Paul Hubschmid) nach Indien und lernt auf dem Weg dorthin in einem indischen Dorf die Dienerin Bharani (Luciana Paluzzi) und ihre Herrin, die Tempeltänzerin Seetha (Debra Paget), kennen. Seetha bedankt sich bei den Berger dafür, dass er ihre Dienerin vor den indischen Rüpeln beim Wasserholen beschützte, und teilt ihm mit, dass sie ebenfalls auf dem Weg nach Eschnapur sei, um dort an einer Zeremonie teilzunehmen. Auf dem gemeinsamen Weg dorthin vertreibt Berger, der sich bereits in die schöne Tänzerin verguckt hat, mit einer Feuerfackel einen menschenfressenden Tiger und steigt so noch mehr in der Gunst der exotischen Schönheit, die zwar auch europäische Wurzeln besitzt, aber ganz in der indischen Kultur beheimatet ist. Als die Reisegruppe in Eschnapur ankommt, erhält Berger für Seethas Rettung von dem dankbaren Chandra einen kostbaren Ring und das Angebot der Freundschaft. 
Doch die wird schnell auf die Probe gestellt, weil ebenso wie Berger auch der Maharadscha ein Auge auf Seetha geworfen hat. Während Berger zusammen mit seinem indischen, aber auch in Europa studierten Kollegen Asagara (Jochen Blume) den Palast erforscht und auf eine Vielzahl unterirdischer Gänge und Kammern stößt, intrigieren Chandras Halbbruder, Fürst Ramigani (René Deltgen), und der Bruder der verstorbenen Frau Chandras, Padhu (Jochen Brockmann), zusammen mit den Priestern gegen den Maharadscha. 
Nachdem Seetha im nur für die Herrscher zugänglichen Tempel mit ihrem exotischen Tanz Chandra endgültig in ihren Bann geschlagen hat, setzt dieser alles daran, ihr Herz zu gewinnen und sie zu heiraten. Da er allerdings mitbekommt, dass Seetha ihr Herz bereits an Berger vergeben hat, lässt Chandra seinen Konkurrenten gegen den „Menschenfresser“ auf Leben und Tod kämpfen… 

Kritik: 

Fritz Lang hatte sich in Hollywood mit den beiden Film noirs „Die Bestie“ und „Jenseits allen Zweifels“ verabschiedet und nach seiner Rückkehr offensichtlich keine Ambitionen gehabt, dem Genre irgendwie treu zu bleiben und sich beispielsweise als Regisseur der 1959 gestarteten „Edgar Wallace“-Reihe zu betätigen. Stattdessen lässt er das Indien von Thea van Harbou, mit der er bereits so Mammut-Projekte wie „Die Nibelungen“ und „Metropolis“ realisiert hatte, in prächtigen Farben vor teilweise authentischer Kulisse erstehen. 
Im Mittelpunkt der Geschichte, die nahtlos mit dem wenige Monate später uraufgeführten „Das indische Grabmal“ fortgesetzt wurde, steht das etwas arg kitschig wie hölzern inszenierte Liebesdrama, in dem Seetha von zwei ganz unterschiedlichen Männern begehrt wird. Interessant in dieser Konstellation ist vor allem der Umgang mit den jeweiligen Kulturen. Der Maharadscha ist durchaus offen für europäische Einflüsse und hat auch einen deutschen Architekten mit seinem Bauprojekt beauftragt, während Seetha zwar europäische Eltern hat, selbst aber völlig in der indischen Kultur aufgegangen ist. Dagegen stehen die Männer um Chandras Halbbruder, der selbst die Stelle des Maharadscha einnehmen will, unversöhnlich der europäischen Kultur gegenüber. 
Dass sich beide Kulturen nicht vermischen sollten, ist das große Credo des Abenteuers, das mit einem klassischen Cliffhanger und der Ankündigung endet, dass die Fortsetzung „Das indische Grabmal“ „noch spannender, noch gewaltiger, noch grandioser“ ausfällt. Die braun angemalten, in schicken Kostümierungen auftretenden deutschen Schauspieler wirken schon unfreiwillig komisch. Da nimmt die US-Amerikanerin Debra Paget („Die zehn Gebote“, „Der gebrochene Pfeil“) tatsächlich eine exotische Rolle ein. Außer ihrer vorteilhaft in Szene gesetzten Tanz-Darbietung bleibt Paget allerdings recht ausdruckslos und blass. 
Ohnehin schien Lang viel mehr an der Inszenierung der Architektur interessiert gewesen zu sein, die er mit leuchtenden Farben und mit einem eindrucksvollen Shiva-Monument versehen hat. Davon abgesehen bietet „Der Tiger von Eschnapur“ allerdings nur seichte Trivial-Romantik mit einem Hauch von kulturkritischen Untertönen.  

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