Last Exit Reno
Mit seinen Frühwerken „Boogie Nights“ (1997) und „Magnolia“ (1999) avancierte Autorenfilmer Paul Thomas Anderson schnell zum Publikums- und vor allem Kritikerliebling – einen Status, den er mit ambitionierten Filmen wie „There Will Be Blood“ und „The Master“ noch untermauerte. Bei einem so rasanten Aufstieg ist es natürlich interessant zu sehen, wie ein solch begnadeter Filmemacher seine Karriere begonnen hat. Im Fall von Anderson ist es das rund ums Glücksspiel drehende Drama „Last Exit Reno“, in dem wir Darsteller wie Philip Baker Hall, John C. Reilly und Philip Seymour Hoffman begegnen, die auch in späteren Werken des Regisseurs zu großer Form auflaufen.
Auf dem Weg in ein Café begegnet Sydney (Philip Baker Hall) dem deprimiert wirkenden, neben dem Eingang sitzenden John (John C. Reilly). Sidney lädt den Mann auf eine Zigarette und einen Kaffee ein und erfährt, dass John in Las Vegas 6.000 Dollar gewinnen wollte, um das Begräbnis seiner Mutter bezahlen zu können. Nun sitzt er ohne einen Cent in der Tasche Sydney gegenüber, der ihm zwar nicht die gewünschte Summe zur Verfügung stellen kann, ihm aber 50 Dollar gibt und im Casino kleine Tricks beibringt, wie die Summe allmählich vermehrt. In den folgenden zwei Jahren entwickelt sich eine innige, Vater-Sohn-ähnliche Beziehung zwischen den beiden Männern.
Doch als John über Sydney die Kellnerin Clementine (Gwyneth Paltrow) kennenlernt und sich sofort in sie verliebt, nimmt das Unglück seinen Lauf. Nach nur zwei Monaten heiraten John und Clementine heimlich, aber noch in der Hochzeitsnacht lässt sich John Frau mit einem Freier ein, der seine in Anspruch genommenen Dienste nicht bezahlen will. Derweil versucht Johns Freund Jimmy (Samuel L. Jackson), Sydney mit Informationen zu erpressen, die dessen Freundschaft mit John sehr belasten würden…
Kritik:
In seinem Spielfilmdebüt erzählt Anderson eine eigentlich recht einfache Geschichte, die ganz auf die ungewöhnliche Beziehung zwischen Sydney und John fokussiert ist. Dabei stellt sich schnell die Frage, was den Casino-Routinier Sydney dazu bewegt, sich auf so väterliche Weise um John zu kümmern. Bis das Geheimnis gelüftet wird, taucht Anderson mit seinen Figuren in die Welt der Casinos von Vegas, Reno und Atlantic City ein, wobei Philip Seymour Hoffman einen kurzen, aber bemerkenswerten Auftritt hat, beleuchtet aber eher die Schattenseiten der Glitzerwelt, wie sie vor allem Martin Scorsese in seinem Meisterwerk „Casino“ so vielschichtig dargestellt hat.
Anderson lenkt den Blick zwar auch gelegentlich auf das Treiben an den Spieltischen (worauf sich letztlich auch der weitaus passendere Originaltitel „Hard Eight“ bezieht), doch interessiert er sich eher für die oft einsamen Figuren, die hier ihr Glück versuchen. Während John beispielsweise einen einarmigen Banditen mit seinen Chips füttert, verliert am benachbarten Automaten gerade ein frisch verheiratetes Paar seinen Einsatz. Sydney sitzt meist mit melancholischer Miene einsam an einem Tisch und schlürft seine Cocktails, und Melancholie bestimmt auch die Atmosphäre des gelassen erzählten Dramas, das ohne große dramatische Ereignisse vor sich hin plätschert.
Vor allem der in diesem Jahr verstorbene Philip Baker Hall („Dogville“, „Zodiac“) brilliert als undurchsichtiger, schwermütiger Mentor, dessen Motive lange im Unklaren bleiben. Ein belebendes Moment bringt schließlich Gwyneth Paltrow („Shakespeare in Love“, „Jane Austens Emma“) in die Story, wenn sie das Leben der beiden Männer mit ihrer unüberlegten Art gehörig durcheinanderbringt.
Anderson ist mit seinem Debüt ein kleiner, aber sehr herzlicher Film über Menschen gelungen, die sich ihr kleines Stück Glück im Leben erhoffen, aber auch Vergebung für ihre Sünden. Schon in „Last Exit Reno“ macht der Filmemacher deutlich, dass ihm sehr viel an seinen Figuren liegt. Das macht diesen Film zu einem wunderbaren Einstieg in den Kinokosmos von Paul Thomas Anderson.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen