Drei Frauen
Seit ihrem Spielfilmdebüt in Robert Altmans „Nur Fliegen ist schöner“ (1970) – auch bekannt als „Auch Vögel können töten“ – ist Shelley Duvall auch in den nachfolgenden Altman-Filmen „McCabe & Mrs. Miller“, „Diebe wie wir“, „Nashville“ und „Buffalo Bill und die Indianer“ zu sehen gewesen. Ihre größte und beste Rolle verkörperte sie in Robert Altmans Psycho-Drama „Drei Frauen“ (1977) an der Seite der jungen Sissy Spacek.
Die junge, schüchterne Pinky (Sissy Spacek) ist von Texas an der Rand der kalifornischen Wüste gezogen, um dort als Pflegerin in einem Altensanatorium zu arbeiten. Mit ihrer Kollegin Millie (Shelley Duvall), die sie einarbeitet, freundet sie sich nicht nur schnell an, sondern zieht auch in ihre Wohnung, als sie beobachtet, wie Millie ein entsprechendes Gesuch in der Mitarbeiterkantine aushängt. In dem öden Provinznest erscheint ihr das penibel in gelben Farben eingerichtete und akkurat aufgeräumte Apartment wie das Paradies auf Erden.
Sklavisch ergibt sich Pinky dem Reinlichkeitswahn der streng durchorganisierten Freundin. Ihre Persönlichkeit hat Millie längst aufgegeben. Sie richtet ihr Leben ganz nach den Tipps in den Frauen- und Modemagazinen aus, orientiert sich bei Kochrezepten nach den jeweiligen Zubereitungszeiten. Nach Feierabend zieht es die beiden in Millies gelben Auto zu einer Freizeitanlage in der Wüste. Hier malt die hochschwangere Willie (Janice Rule) fast mythisch wirkende Gemälde mit Fabelwesen auf Fußböden und Wänden.
Zum Wochenende veranstaltet Millie eine ihrer „berühmten“ Dinner-Parties, damit die beiden Freundinnen auch zu ihrem geplanten Wochenend-Sex kommen, doch die eingeladenen Jungs haben was Besseres vor. Als Millie daraufhin frustriert Willies angetrunkenen Ehemann Edgar (Robert Fortier) zu verführen versucht, will sich die geschockte Pinky das Leben nehmen. Der Fall in den Swimming Pool geht jedoch glimpflich aus. Während Pinky im Koma liegt, informiert Millie Pinkys Eltern, doch als Pinky wieder zu Bewusstsein kommt, verleugnet sie ihre Eltern und kehrt als veränderte Person in Millies Apartment zurück, wo die beiden Frauen nun ihre Rollen vertauschen…
Kritik:
Robert Altman hat bereits in seinen von der Kritik gefeierten Dramen „Ein kalter Tag im Park“ (1969) und „Spiegelbilder“ (1971) die Dissoziationen seiner Protagonistinnen seziert. Mit „Drei Frauen“ geht er sogar noch einen Schritt weiter, bringt gleich drei Frauen in eine schicksalhafte Abhängigkeit voneinander. In der staubtrockenen Einöde der kalifornischen Wüste wirkt das nahtlos in die Umgebung eingepasste gelb gestaltete Welt von Millie ebenso farblos und blass wie Millie selbst. Wenn sie in der Kantine mit ihren männlichen Kollegen ins Gespräch zu kommen versucht oder ihren Nachbarn Tom mit unverfänglichem Smalltalk auf sich aufmerksam machen möchte, wird sie völlig ignoriert. Dankbar nimmt sie deshalb die zurückhaltende, pflegeleicht wirkende Pinky bei sich auf, denn Pinky, ebenso einsam wie Millie, blickt zu ihrer neuen Freundin uneingeschränkt auf. Da keine der beiden Frauen über eine eigene Persönlichkeit verfügt, funktionieren sie einfach nach der Norm, lassen ihre Arbeit durch die Stechuhr und die unfreundlichen Vorgesetzten bestimmen, während die eigentlich selbstbestimmte Freizeit von der gerade angesagten Mode diktiert wird.
Einzig Willie scheint aus der Tristesse ausbrechen zu können, indem sie ihrer Persönlichkeit in eigenwilligen Gemälden Ausdruck verleiht, doch ihre Ehe mit dem ehemaligen Hollywood-Stuntman Edgar entpuppt sich als reine Farce. Altman, der sich für das Drehbuch zu „Drei Frauen“ angeblich von verschiedenen Träumen inspirieren ließ, schildert mit brutal wirkender Natürlichkeit die Entpersönlichung dreier Frauen, die nur noch als reines Produkt ihrer künstlichen Umgebung zu existieren scheinen. Das gilt allerdings auch für die Männer, die nur als blasse Abziehbilder vergangener Vorstellungen von Heldentum als Nebenfiguren herumgeistern. In einem aufgegebenen Freizeitpark donnern sie mit ihren Motorrädern über den staubigen Parcours und veranstalten Schießübungen auf Zielscheiben.
Es ist wieder einmal ein deprimierendes Bild, das Robert Altman von der amerikanischen Gesellschaft zeichnet. Das sehr persönliche Portrait der drei Frauen zeigt schonungslos die psychischen Abhängigkeiten von Menschen auf, die ihre Identität längst verloren haben und sich nur noch mühsam an das klammern, was ihnen als kümmerlicher Ersatz geboten wird. Neben der einfühlsamen Inszenierung sticht vor allem die Leistung der beiden Hauptdarstellerinnen Shelley Duvall („Shining“, „Der Stadtneurotiker“) und Sissy Spacek („Carrie“, „In the Bedroom“) heraus.
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