Spiegelbilder

Robert Altman (1925-2006) hat seine Karriere in Hollywood nach ein paar Kurzfilmen in den 1950er Jahren zunächst mit Auftragsarbeiten für Fernsehserien wie „Bonanza“, „Wenn man Millionär wär“ und „Im letzten Augenblick“ begonnen, bevor er mit Filmen wie „Ein kalter Tag im Park“, „M.A.S.H.“ und „McCabe & Mrs. Miller“ die New-Hollywood-Bewegung mitbegründete. Fernab des eingefahrenen Studiosystems entstand 1972 mit „Spiegelbilder“ ein fesselnder wie verstörender Psycho-Thriller mit Horror-Elementen und einer überragenden Susanna York in der weiblichen Hauptrolle. 

Inhalt: 

Nachdem sie mit nächtlichen anonymen Anrufen belästigt worden ist, entschließt sich die Kinderbuch-Autorin Cathryn (Susannah York), ihr neues Buch im Wochenendhaus am See zu beenden. Begleitet wird sie von ihrem Mann Hugh (René Auberjonois), doch fördert die Atmosphäre dort nicht unbedingt ihre Inspiration. Zunächst vergisst sie beim Anzünden des Kaminholzes den Abzug zu öffnen, dann wird sie während Hughs Abwesenheit von ihrem alten Liebhaber Rene (Marcel Bozzuffi) aufgesucht, der eigentlich vor drei Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Mit Marcel (Hugh Millais) taucht sogar noch ein dritter Mann in Cathryns Leben auf, die immer häufiger auch ihrem eigenen Abbild begegnet. Um die vermeintlichen Trugbilder loszuwerden, greift Cathryn schließlich zu drastischen Mitteln… 

Kritik: 

Altman hat bereits 1969 mit „Ein kalter Tag im Park“ und später mit „Drei Frauen“ (1977) Portraits von Frauen am Rande eines Nervenzusammenbruchs bzw. mit starken psychischen Problemen geschaffen, wobei das Oscar-nominierte Psycho-Drama „Spiegelbilder“ aus dem Jahr 1972 etwas herausragt. Susanna York, die die im Film immer wieder zitierte Kinderbuch-Vorlage „In Search of Unicorns“ verfasst hat und erst von Altman überredet werden musste, auch im Film mitzuwirken, verkörpert eine in gutbürgerlichen Verhältnissen lebende Autorin, die mit ihrem Buch nicht so recht weiterkommt und im ländlichen Cottage auf neue Gedanken zu kommen versucht. 
Altman und sein virtuoser Kameramann Vilmos Zsigmond („Die durch die Hölle gehen“, „Unheimliche Begegnung der dritten Art“) lassen mit ihren Bildern lange Zeit offen, welche von Cathryns Eindrücken real sind oder ihrer Schizophrenie geschuldet sind. Keiner der Männer wirkt künstlich in die Szenen hineingebettet, sondern als natürlicher Bestandteil von Cathryns Alltag. Für den irrealen Charakter sorgen eher die immer wieder verschwommenen Bilder, der Schwenk auf glitzernden Schmuck, aufgestellte Kameralinsen und Spiegel, aber auch der anfangs noch so eingängige Score von John Williams, der mit zunehmender Spieldauer avantgardistische Züge annimmt, woran die von Stomu Yamashta kreierten Sounds einen großen Anteil haben. 
Altman überlässt es am Ende dem Zuschauer, wie die dargestellten Bilder zu deuten sind. Der symbolträchtige Wasserfall in der Nähe des einsam gelegenen Wochenendhauses wird nicht nur prächtige in die wilde Natur eingebettet, sondern wird passenderweise zu dem Ort, an dem sich Cathryns psychologische Verfassung manifestiert. Bis dahin greift Altman auch auf Elemente des Horror-Films und Psycho-Schockers zurück, wobei York die Fragilität wie Entschlossenheit ihrer Figur großartig miteinander in Einklang bringt. 
Auch wenn „Spiegelbilder“ zu Altmans weniger bekannten Werken zählt, ist er schon wegen seiner formalen Brillanz und Susanna Yorks fesselnder Darbietung unbedingt sehenswert.  

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