Gefährliche Begegnung

Nach seiner Emigration in die USA schuf der österreichisch-deutsche Filmemacher Fritz Lang mit „Blinde Wut“, „Gehetzt“ und „Du und ich“ gleich drei bemerkenswerte Beiträge zum Film noir, weshalb Lang diesem Genre bis zum Ende seiner zwanzigjährigen Hollywood-Karriere – trotz seltener Ausflüge in das Western- und Abenteuerfilm-Genre - verhaftet blieb. Seine Meisterschaft dokumentierte Lang auch 1944 in dem packenden Kriminaldrama „Gefährliche Begegnung“

Inhalt: 

Richard Wanley (Edward G. Robinson) hält als außerordentlicher Professor für Psychologie am Gotham College u.a. Vorlesungen über die unterschiedliche Bewertung von Morden, ist aber ein fürsorglicher Familienvater, der seine Frau und beiden Kinder für die Ferien am Bahnhof von New York City in einen Zug setzt. Den Auftakt seines Strohwitwer-Daseins verbringt er mit seinen Freunden Dr. Michael Barkstane (Edmund Breon) und Staatsanwalt Frank Lalor (Raymond Massey), in ihrem Club, nachdem sie im Schaufenster der benachbarten Galerie das Portrait einer einnehmenden jungen Frau bewundert haben. Bei Whisky und Kaffee diskutieren sie über die Gefahr, die die Abenteuerlust für Männer in mittleren Jahren birgt. Während seine Freunde in der Stadt weitere Vergnügungen suchen, macht sich Wanley um halb elf auf den Heimweg – wirft aber noch einen langen Blick auf das ihn so faszinierende Frauen-Portrait. Dabei entdeckt er neben dem Portrait plötzlich das Ebenbild der Frau im Fenster spiegeln und lernt so Alice Reed (Joan Bennett) kennen, die für das Gemälde Modell stand. Da sich beide auf Anhieb sympathisch sind, trinken sie in einer Bar noch etwas, dann begleitet Wanley die junge Dame nach Hause, wo sie ihm noch ein paar Skizzen des Künstlers zeigen will. Allerdings werden sie dabei von Claude Mazard (Arthur Loft) überrascht, der erst seine Geliebte schlägt und sich dann auf seinen vermeintlichen Konkurrenten stürzt. Als er Wanley zu erwürgen droht, reicht Alice dem Professor eine Schere, mit der er seinen Angreifer in Notwehr tötet. Nach reiflicher Überlegung beschließt Wanley, den Mord nicht der Polizei zu melden, sondern seinen Wagen zu holen und die Leiche im Wald zu verstecken. Doch obwohl Wanley zuvor selbst betont hat, wie wichtig es sei, alle Spuren zu verwischen, unterlaufen ihm bei der Entsorgung des Toten etliche Fehler. Schließlich wird die Leiche von einem Pfadfinder-Jungen gefunden, worauf Wanleys Freund Lalor die Ermittlungen übernimmt. Das macht Wanley so nervös, dass er immer wieder unbedachte Bemerkungen in der Gegenwart des Staatsanwalts macht, der jedoch keinen Verdacht schöpft. Brenzlig wird die Situation erst, als Mazards vorbestrafter Leibwächter Heidt (Dan Duryea) Alice um 5000 Dollar erpresst… 

Kritik: 

Mit seiner ersten Produktion für das von ihm gegründete unabhängige Filmstudio International Pictures hat Drehbuchautor und Produzent Nunnally Johnson gleich einen Volltreffer gelandet. Lang schuf mit Johnsons Adaption des Romans „Once Off Guard“ von J.H. Wallis einen atmosphärisch dichten, spannenden und vor allem wunderbar gespielten Film noir, in dem Edward G. Robinson („Frau ohne Gewissen“, „Hafen des Lasters“) als Mann überzeugt, dessen Leben nach einem Mord in Notwehr völlig aus den Fugen gerät. Mit wenigen Szenen führt Lang seinen Protagonisten ein, indem er einen kurzen Einblick in seine Vorlesung am College gibt und den liebevollen Abschied von seiner Familie festhält. Mit dem Szenenwechsel zum Schaufenster mit dem Frauen-Portrait und dem Treffen mit seinen Freunden im Club ist Wanleys Lebensumfeld bereits abgesteckt. 
Mit dem Auftauchen des Spiegelbilds der portraitierten jungen Frau im Fenster wendet sich die konventionelle Lebensgeschichte des in die Jahre kommenden Akademikers auf dramatische Weise. Aus dem zunächst unverfänglichen Treffen mit Alice entwickelt sich ein Drama, bei dem Joan Bennett („Menschenjagd“, „Der Vater der Braut“) nicht die klassische Femme fatale darstellt, sondern nur den Katalysator für die nachfolgenden Ereignisse. Die Ermittlungen bei der Suche nach dem Mörder des prominenten Finanzier Mazard wirken zwar mit Wanleys merkwürdig unbedachten Äußerungen gegenüber seinen Freund, den Staatsanwalt, etwas konstruiert, aber durch Robinsons glaubwürdige Verkörperung eines an sich unbescholtenen Mannes, den eine Affekthandlung in so arge Bedrängnis bringt, macht dieses Manko zum Glück wieder wett. 
Dazu überzeugen auch Bennett und Duryea, die zusammen mit Robinson auch in Langs nachfolgendem Noir „Straße der Versuchung“ gemeinsam vor der Kamera zu sehen sind, ebenso in ihren Rollen wie Raymond Massey („Jenseits von Eden“, „Arsen und Spitzenhäubchen“) als besonnener Staatsanwalt. Die famose Kameraarbeit von Milton R. Krasner („Das verflixte 7. Jahr“, „Die große Liebe meines Lebens“) mit der perfekten Ausleuchtung gerade der nächtlichen Szenen und der Oscar-nominierte Score von Hugo Friedhofer und Arthur Lange runden einen meisterhaft inszenierten Film noir ab, der durch das wendungsreiche Finale noch an Tragik und Finesse gewinnt. 

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