Der unheimliche Fremde

Seit seiner ikonischen Rolle des skrupellosen Killers in Jean-Pierre Melvilles „Der eiskalte Engel“ (1967) ist Alain Delon auf die Rolle des einzelgängerischen Gangsters oder Schurken abonniert gewesen. Da passt auch Serge Leroys Adaption des Romans „Kinderstunde“ von Laird Koenig und Peter L. Dixon ins Bild, auch wenn der Fokus von „Der unheimliche Fremde“ (1978) ein ganz anderer ist. 

Inhalt: 

Während ihre Eltern einen Film in Dublin drehen, verbringen Marlène, Dimitri, Marc und Laetitia den Sommer in der ihrer Villa an der Côte d’Azur unter Aufsicht des spanischen Kindermädchen Adelita, das von den Kindern nur „Avocados“ genannt wird. Die eigensinnigen Kinder geben allerdings nicht viel auf die Anordnungen des Mädchens und verbringen stattdessen die meiste Zeit vor dem Fernseher mit Filmen, die wegen der gezeigten Gewalt nicht für sie geeignet sind. 
 Als die Kinder einen Tag unten am Strand verbringen und Adelita, die nicht schwimmen kann, auf der Luftmatratze eingeschlafen ist, wird sie von den Kindern ins Wasser gezogen, um ihr einen Streich zu spielen. Allerdings treibt die Luftmatratze so weit ins Meer hinaus, dass Adelita, als sie aufwacht, in Panik gerät und trotz der Rettungsversuche von Marlène und Dimitri ertrinkt. Die Kinder versuchen, den Vorfall zu vertuschen und schwören auf die Bibel, niemandem etwas zu verraten. Allerdings wurden sie bei der Aktion von einem fremden Mann (Alain Delon) beobachtet, der schnell herausfindet, dass sich die Kinder unbeaufsichtigt in der Villa aufhalten. Die Eltern melden sich nur selten telefonisch, schicken dafür regelmäßig Videobotschaften per Post. 
Als unter den Augen von Schaulustigen und auch des fremden Mannes die Leiche von Adelita an den Strand gespült wird, verschafft sich der Fremde nachts Zugang zur Villa und versucht, die Kinder mit einem Revolver aus der Waffensammlung ihres Vaters unter Kontrolle zu halten. Während der Eindringling nach den Schlüsseln für den Wagen des Vaters verlangt, schmieden die Kinder einen Plan, den Mann außer Gefecht zu setzen… 

Kritik: 

Auch wenn Alain Delon als Produzent und Hauptdarsteller das Filmplakat und das DVD-Cover schmückt, steht er nicht im Mittelpunkt des Kriminaldramas, das eher wie eine soziologische Studie angelegt ist. Bevor Delon als Fremder in das Leben der unbeaufsichtigten Kinder eines filmeschaffenden Ehepaars tritt, nimmt sich Serge Leroy („Zweifelhafte Karriere“, „Ein wildes Wochenende“) viel Zeit, den Alltag der fünf- bis dreizehnjährigen Kinder einzufangen, der zwar auch darin besteht, imposante Sandburgen am Wasser zu bauen, sich meistens aber darauf beschränkt, ungesundes Fast Food in sich hineinzuschaufeln und brutale Filme im Fernsehen zu schauen. 
Wie Alain Delon als abgehalfteter Herumtreiber in das Leben dieser vier Kinder aus wohlhabendem Hause tritt und sie zu tyrannisieren versucht, nimmt nur einen kleinen Teil der Story ein. Vielmehr arbeitet Leroy den Einfluss der Gewalt aus dem Fernsehen auf die Gedanken und Handlungen der Kinder heraus. So versucht die dreizehnjährige Marlène, als verführerischer Vamp aufzutreten, wie sie es im Fernsehen gesehen hat, um den Fremden abzulenken, und ebenso haben die Kinder durch die Gewalt in den Medien den Schrecken nicht nur vor dem Tod, sondern auch vor Mord verloren. Der Tod des Kindermädchens scheint sie nämlich kaum zu berühren. 
 Als psychologisches und soziologisch interessiertes Drama funktioniert „Der unheimliche Fremde“ ganz ordentlich, doch ist die Inszenierung zu bieder und spannungsarm geraten, um wirklich zu fesseln. 

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