Ein schönes Mädchen wie ich

Nach dem ernsten, melancholischen und tragischen Film über die Liebe, den François Truffaut 1971 mit „Zwei Mädchen aus Wales und die Liebe zum Kontinent“ realisiert hatte, wandte er sich kurz darauf einem dazu gegensätzlichen Stoff zu, der Verfilmung von Henry Farrells Krimikomödie „Such a Gorgeous Kid Like Me“

Inhalt: 

Für seine Dissertation mit dem Titel „Die kriminellen Frauen“ sucht der junge, ebenso akribische wie weltfremde Soziologe Stanislas Prévine (André Dussollier) die wegen Mordes verurteilte Camille Bliss (Bernadette Lafont) im Gefängnis auf, um sie in mehreren Sitzungen zu interviewen. Camille soll ihren Liebhaber Arthur (Charles Denner) und ihren Ehemann Clovis (Philippe Léotard) ermordet haben. Mit bemerkenswerter Offenheit erzählt sie Stanislas von ihrem Leben und ihren Liebesaffären. Nachdem sie bereits als Neunjährige beschuldigt worden war, ihren Vater umgebracht zu haben, und zur Strafe in eine Jugenderziehungsanstalt geschickt wurde, floh sie und bandelte mit Clovis an, dem sie – als noch Minderjährige - eine Schwangerschaft vortäuscht, damit er sie heiratet. Allerdings nervt ihre Schwiegermutter, die sie kurzerhand beraubt. Gemeinsam mit Clovis findet sie einen Job im Colt Saloon, wo sie schnell mit dem Sänger Sam Golden (Guy Marchand) intim wird. Als Clovis hinter die Affäre seiner Frau kommt, versteckt sich Camille im Auto des Schädlingsbekämpfers Arthur, den Camille ebenso verführt wie den Anwalt Murene (Claude Brasseur). Je mehr Camille dem Soziologen ihren abenteuerlichen Lebenslauf schildet, umso mehr verfällt Stanislav dem blendenden erotischen Charme seiner Probandin – sehr zum Missfallen seiner heimlich in ihn verliebten Assistentin Hélène (Anne Kreis), die im regelmäßig ins Gewissen zu reden versucht. Noch ahnt Stanislav nicht, was für ein perfides Spiel Camille mit ihm spielt… 

Kritik: 

Truffaut hat bei seiner Adaption von Farrells Roman sichtlich Spaß daran gehabt, seine Protagonistin als weibliches Pendant zu seinem Alter Ego Antoine Doinel zu etablieren. Während der naive, nie wirklich erwachsen gewordene Antoine allerdings eher hilflos von einer Frau zur nächsten wankt, setzt die attraktive Camille ihre weiblichen Reize ganz bewusst und gezielt ein, um bei den ihr hilflos ausgelieferten Männer das zu bekommen, was sie gerade benötigt. Bei Clovis findet sie Unterkunft und Vermögen, Sam Golden verhilft ihr zur späteren Karriere als Show-Star, und Maître Murene kümmert sich um die Beseitigung der rechtlichen Konsequenzen ihres schamlosen Tuns. 
Truffaut inszenierte diesen bunten Reigen von Camilles amourösen Abenteuern äußerst geschickt, setzt er die Bilder zu Camilles Erzählung doch oft genug in Kontrast, so dass nicht immer klar wird, wie glaubwürdig Camille bei der Schilderung der folgenschweren Episoden ihres Lebens ist. Bernadette Lafont („Die Unbefriedigten“, „Jagd auf Männer“) dominiert mit ihrer expressiven, frivol-lauten Darstellung das Geschehen, während die Männer, mit denen sie oft genug auch parallel verkehrte, als triebgesteuerte Dumpfbacken daherkommen, die es nicht besser verdient haben. 
Auch wenn „Ein schönes Mädchen wie ich“ nicht die Klasse früherer Truffaut-Werke erreicht, ist dessen Ausflug in ein für ihn ungewohntes Genre durchweg unterhaltsam und wartet mit einem bitterbösen Schluss auf. 

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