Tisch und Bett
Nach Literaturverfilmungen von Ray Bradburys „Fahrenheit 451“ (1966), Cornell Woolrichs Kriminalromanen „Die Braut trug schwarz“ (1967) und „Das Geheimnis der falschen Braut“ (1968) sowie dem auf den Dokumentationen eines Arztes beruhenden Drama „Der Wolfsjunge“ (1970) war François Truffaut ein etablierter und gefeierter Regisseur auch über Frankreichs Grenzen hinaus. Allerdings forderte die schnelle Abfolge dieser Produktionen ihren Tribut. Truffaut fühlte sich erschöpft, trennte sich von Catherine Deneuve und begab sich wieder in vertrautes Terrain, indem er mit „Tisch und Bett“ (1970) seinen beliebten Antoine-Doinel-Zyklus fortsetzte.
Inhalt:
Nachdem Antoine Doinel (Jean-Pierre Léaud) und Christine Darbon (Claude Jade) in „Geraubte Küsse“ zunächst noch nicht recht wussten, wie sie zueinanderstehen und erst zum Ende hin ein Paar wurden, sind sie mittlerweile miteinander verheiratet und leben in einer gemeinsamen Wohnung, in der Christine Geigenunterricht gibt, während Antoine im Hinterhof Blumen für einen Laden an der Straße einfärbt und darauf hofft, eines Tages das perfekte Rot für seine Nelken zu finden. Zu Christines Eltern (Claire Duhamel, Daniel Ceccaldi) besteht nach wie vor ein guter Kontakt; man besucht sich zum Essen und spricht über Alltägliches.
Das Leben des jungen Ehepaars wird allerdings auf eine harte Probe gestellt, als Christine schwanger wird und Antoine sich in die junge Japanerin Kyoko (Hiroko Berghauer) verliebt, die er bei seinem neuen Job kennenlernt, bei dem er Modellboote durch einen Miniaturhafen manövriert. Als Christine das Krankenhaus mit ihrem Sohn Alphonse verlässt, erfährt sie von der Affäre ihres Mannes und setzt ihn vor die Tür…
Kritik:
Auch wenn sich Antoine und Christine ihrer Gefühle füreinander sicher zu sein scheinen, hat sich in ihrer Beziehung wenig geändert. Christine ist die weitaus reifere Persönlichkeit, die ihren Platz im Leben gefunden hat und rationale Entscheidungen fällt. Antoine dagegen scheint sich noch immer in einem Übergangsstadium zu befinden, denn eigentlich strebt er eine Karriere als Schriftsteller ein, und da diese ihm offensichtlich versagt bleibt, hangelt er sich von einem frustrierenden Gelegenheitsjob zum nächsten, überträgt seine Hoffnung auf eine Schriftstellerkarriere auf seinen Sohn und versucht, der Langeweile seines Lebens zu entfliehen.
Da sich die Ehe zwischen Christine und Antoine eher wie eine freundschaftliche Beziehung anfühlt, in der ihm die Leidenschaft fehlt, fühlt er sich schnell zur exotischen Japanerin Kyoko hingezogen, von der er allerdings ebenfalls schnell gelangweilt ist und sich während eines gemeinsamen Restaurantbesuchs sogar dreimal telefonisch bei Christine darüber beschwert, bis Kyoko die Reißleine zieht.
Truffaut hat den vierten Film seines Antoine-Doinel-Zyklus in sehr beengten Räumen inszeniert, die Kamera immer dicht bei seinen Figuren, die die unterschiedlichsten Charaktere abbilden. Da ist der Nachbar, der aus Protest, dass General Pétain nicht im Parthenon beigesetzt wurde, seit 25 Jahren seine Wohnung nicht verlassen hat; ein geheimnisvoller Mann, der wortlos durch den Hof streift, wird für einen „Würger“ gehalten, entpuppt sich aber als gefeierter Varietée-Star des Fernsehens entpuppt; ein Schnorrer pumpt sich regelmäßig bei Antoine Geld, der es ihm ohne zu zögern gibt; eine ältere, verheiratete Kellnerin versucht immer wieder, Antoine ins Bett zu kriegen; und dann ist da noch das ältere, sich ständig streitende Paar in der Wohnung nebenan.
Truffaut setzt diese episodenhaften Momente und Figuren virtuos aneinander, seziert auf vergnügliche Weise das Seelenleben der Menschen und ihrer Beziehungen zueinander, spart nicht an Bezügen zu seinen eigenen früheren Filmen oder Balzac, und vor allem stimmt die Chemie zwischen Jean-Pierre Léaud und Claude Jade, die neun Jahre später in „Liebe auf der Flucht“ noch ein letztes Mal als Antoine und Christine vor der Kamera vereint sind.
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