Liebe auf der Flucht
Nach dem Kassenflop seines letzten Films „Das grüne Zimmer“ (1978) sah sich François Truffaut gezwungen, wieder einen Publikumserfolg abzuliefern. Was lag da näher, als einen weiteren Film um sein Alter Ego Antoine Doinel zu machen. Neun Jahre nach „Tisch und Bett“ präsentierte Truffaut mit „Liebe auf der Flucht“ (1979) den vergnüglichen Abschluss seines Antoine-Doinel-Zyklus.
Inhalt:
Antoine Doinel (Jean-Pierre Léaud) lässt sich nach krisenreichen Jahren seiner Ehe mit Christine (Claude Jade) von ihr scheiden und vergnügt sich derzeit mit der Schallplattenverkäuferin Sabine (Dorothée). Antoine arbeitet inzwischen als Korrektor bei einer Zeitung und hat einen autobiografischen Roman veröffentlicht. Als er mit Christine das Scheidungsgericht verlässt, stürzt sich die Presse auf das frisch geschiedene Paar, das zu den ersten gehört, das sich nach dem neuen Scheidungsgesetz im gegenseitigen Einvernehmen trennt.
Dabei erregt Antoine die Aufmerksamkeit seiner alten Liebe Colette Tazzi (Marie-France Pisier), die inzwischen Rechtsanwältin ist. Als Antoine seinen Sohn Alphonse zum Bahnhof bringt, entdeckt er Colette im Zug auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig, wobei sie ihm mit seinem Roman in der Hand zuwinkt. Kurzentschlossen reist Antoine mit ihr. Gemeinsam erinnern sie sich an ihre damalige Liebesbeziehung, Antoine erzählt ihr von der Geschichte, an der er gerade schreibt: Ein junger Mann beobachtet einen Mann in einer Telefonzelle, wie er nach dem aufwühlenden Gespräch ein Foto zerreißt. Antoine hebt die Schnipsel auf, setzt das Foto wieder gewissenhaft zusammen und verliebt sich in das darauf abgebildete Mädchen. Tatsächlich macht er die junge Frau ausfindig und kommt mit ihr zusammen…
Als Antoine Colette in ihrem Abteil zu verführen versucht, offenbart sie ihm, dass sie als Callgirl arbeite, worauf er entsetzt die Notbremse zieht und den Zug verlässt. Sabine will derweil die Beziehung zu Antoine beenden, weil er sich nicht festlegen will. Antoine trifft mit Monsieur Lucien (Julien Bertheau) einen der Liebhaber seiner Mutter und erfährt ganz neue Einsichten in ihre Persönlichkeit. Derweil begegnen sich auch Colette und Christine und tauschen ihre Erinnerungen an ihre jeweiligen Beziehungen mit Antoine aus. Christine erzählt Colette, wie ihre Ehe nach fünf Jahren zerbrach, nachdem Antoine sie ausgerechnet mit ihrer besten Freundin Liliane (Dani) betrogen hatte…
Kritik:
Truffaut war sich anfangs sehr unsicher, ob sein Antoine auch als Erwachsener noch eine interessante Persönlichkeit darstellen könnte, die das Kinopublikum fasziniert. Die Sorge scheint im Nachhinein völlig unbegründet, denn Antoine hat sich seit der turbulenten Ehe mit Christine, seiner neuen Rolle als Ehemann und Vater kaum verändert. Zwar hat er endlich seinen Traum verwirklicht und ein Buch veröffentlicht, doch sein Leben ist weiterhin geprägt von wankelmütigen Entscheidungen und launigen Beziehungen zu Frauen.
Truffaut nutzt den Abschluss seines Antoine-Doinel-Zyklus für ausgiebige Rückblenden, die Truffaut-Kennern weithin bekannt sein dürften. Allein die erhellende Episode mit der Affäre, die Antoine mit Christine bester Freundin Liliane hatte, ist neu dazu hingekommen und verdeutlicht, wie leichtfertig Antoine von einer Frau zur anderen springt. Aber auch die Begegnung mit Monsieur Lucien, dem ersten Liebhaber von Antoines Mutter, den der Junge damals auf der Straße zufällig im Vorbeigehen entdeckt hat, lässt Antoines Mutter in einem weicheren Licht erscheinen.
„Liebe auf der Flucht“ erscheint wie ein kompaktes Sammelsurium von Antoines Lebens- und Liebesgeschichten, über die der erwachsene Antoine nun nachsinnt und seine Schlüsse daraus zieht, was vor allem für seine aktuelle Beziehung mit Sabine von Bedeutung ist.
Somit hat Truffaut einen etwas sentimental und melancholisch eingefärbten Abschluss für seinen Antoine-Doinel-Zyklus gefunden, der kurzweilig unterhält, ohne allerdings so tief zu berühren wie die vorangegangenen Filme, die Truffaut zu seinem stets unbeholfen wirkenden Alter Ego inszeniert hat.
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