Die amerikanische Nacht

Seit seiner Adaption von Ray Bradburys Science-Fiction-Klassiker „Fahrenheit 451“ (1966) hat François Truffaut jedes Jahr mindestens einen Film realisiert. Nach dem im ausgehenden viktorianischen Wales angesiedelten Liebesdrama „Zwei Mädchen aus Wales und die Liebe zum Kontinent“ (1971) und der Liebeskomödie „Ein schönes Mädchen wie ich“ (1972) verfolgte Truffaut die Idee, einen Film übers Filmemachen zu drehen, da dabei so viele unvorhergesehene, lustige, spannende und tragische Dinge geschehen, die nicht im eigentlichen Film zu sehen seien, weil sie nicht dazugehörten. „Die amerikanische Nacht“ (1973) ist aber nicht nur eine Liebeserklärung an das Kino, sondern thematisiert vor allem auch die Beziehungen innerhalb der Crew. 

Inhalt:

Für seinen Film „Meet Pamela“, den Regisseur Ferrand (François Truffaut) in Nizza dreht, wartet die Crew noch auf die amerikanische Hauptdarstellerin Julie Baker (Jacqueline Bisset), die nach einem Nervenzusammenbruch den viel älteren Arzt Dr. Michael Nelson (David Markham) geheiratet hat und als vor allem bei dem verantwortlichen Produzenten Bertrand (Jean Champion) als Risikofaktor für den Film betrachtet wird. Der Film erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der seine Verlobte seinen Eltern vorstellt, worauf sich seine Geliebte in seinen Vater verliebt und mit ihm durchbrennt. Als Julie Baker mit ihrem Mann zur Produktion stößt, laufen die Dreharbeiten alles andere als geschmiert. Ferrand hat nicht nur mit der Herausforderung zu kämpfen, die Forderung der Amerikaner zu erfüllen, den Film in nur 35 Tagen abzudrehen, sondern auch mit der Tatsache, dass die zu Beginn gedrehte Massenszene noch einmal wiederholt werden muss, weil das Filmmaterial bei der Entwicklung verdorben wurde. Während die alternde Diva (Valentina Cortese) die Leukämie-Erkrankung ihres Sohnes mit Alkohol zu verdrängen sucht und darüber ihren Text vergisst, verunglückt einer der Hauptdarsteller (Jean-Pierre Aumont) tödlich, der jugendliche Held (Jean-Pierre Léaud) kommt nicht darüber hinweg, dass ihn seine als Skriptgirl bei der Produktion arbeitende Verlobte verlässt, worauf sich Julie Baker auf eine Nacht mit dem unglücklichen Schauspieler einlässt, damit er die Dreharbeiten fortsetzt… 

Kritik: 

Wie schon in „Der Wolfsjunge“ brilliert Truffaut auch in „Die amerikanische Nacht“ in der Doppelrolle des Regisseurs und Hauptdarstellers. Als Regisseur des Liebesdramas „Meet Pamela“ sieht er sich nicht nur den ständigen Fragen seines Mitarbeiterstabes ausgesetzt, sondern auch immerwährenden Herausforderungen, die meist den individuellen und zwischenmenschlichen Eigenheiten seiner Crew geschuldet sind. Wenn die Hauptdarstellerin Julie Baker wie im Film auch hinter der Kamera ihren Mann betrügt und gerade der Hauptdarsteller stirbt, dem auch im Film ein tödliches Ende beschieden wird, kommt man nicht umhin, dem Spruch beizupflichten, dass die Kunst das Leben imitiere. 
Truffauts Film gibt wunderbare Einblicke in die Produktion eines Films in den 1970er Jahren, in die Art und Weise, wie Darsteller ausgesucht, Requisiten ausgewählt und eingesetzt werden, wie die Texte der Schauspieler noch am Abend zuvor umgeschrieben und den neuen Gegebenheiten angepasst werden, wie der Komponist (Georges Delerue) per Telefon die Melodie für eine bestimmte Szene vorspielt, wie die Arbeit eines Tages abends gemeinsam im Vorführraum begutachtet wird, und er erklärt die „Day For Night“-Technik, bei der mittels Farbfilter eine Nachtszene bei Tageslicht gedreht werden kann (daher hat der Film „Die amerikanische Nacht“ seinen Titel). 
Über die technischen Aspekte des Filmemachens hinaus widmet sich Truffaut aber auch den Menschen, die an der Produktion beteiligt sind, und ihren oft wankelmütigen Beziehungen, auch zu ihren Kindern. So ist „Die amerikanische Nacht“ eine kurzweilige und humorvolle Liebeserklärung an das Filmemachen und ihre Schöpfer gelungen. 

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