Der Zigeuner
Unter seinem bürgerlichen Namen wurde Joseph Damiani nach der Befreiung von Paris im Jahr wegen mehrerer Vergehen zu 20 Jahren Arbeitslager verurteilt und in einem weiteren Prozess für die Beteiligung an den drei Morden zum Tod verurteilt. Nachdem das Urteil aufgehoben wurde und Damiani im Alter von 31 Jahren nach 11½ Jahren Arbeitshaft freikam, verarbeitete er unter dem Pseudonym José Giovanni seine Erfahrungen als Krimineller und im Strafvollzug in etlichen Romanen, die – teilweise von ihm selbst – sogar erfolgreich verfilmt worden sind, darunter „Endstation Schafott“ und „Der Mann aus Marseille“ mit Alain Delon in der Hauptrolle. 1975 arbeiteten Giovanni und Delon auch bei „Der Zigeuner“ zusammen.
Inhalt:
Hugo Sennart (Alain Delon), der wegen seiner Herkunft als Sinti und Roma den abfälligen Spitznamen „der Zigeuner“ bekommen hat, hält seit langem sie französische Polizei in Atem. Zusammen seinen zwei ebenfalls vorbestraften Komplizen Jacques Helman (Maurice Barrier) und Jo Amila (Renato Salvatori) hat er schon eine ganze Reihe von Raubüberfällen begangen, ohne dass er von der Polizei gefasst werden konnte. Als der ermittelnde Kommissar Blot (Marcel Bozzuffi) gerade den mysteriösen Selbstmord der Frau des stadtbekannten Juwelendiebs Yan Kuq (Paul Meurisse) untersucht, bietet sich ihm und seinen Männern die Gelegenheit, eine Verbindung zu einem Juwelenraub nach seinem Beuteschema herzustellen. Blot hat allerdings keine Ahnung, dass sein Mitarbeiter Mareuil (Bernard Giraudeau) eine Affäre mit Kuqs Frau hatte. Während Kuq versucht, im Hotel seiner alten Freundin Ninie (Annie Girardot) unterzutauchen und die Angelegenheit über seine Anwälte zu regeln, plant Sennart schon seinen nächsten Überfall.
Jedoch versetzt die Polizei mit Razzien und Verhaftungen die ganze Unterwelt in Aufruhr und hetzt sie gegen „den Zigeuner“ auf.
Als Blot und seine Beamten sich dem Versteck des Zigeuners nähern, ist dies auch für Kuq eine Gefahr, die er nicht ohne weiteres dulden kann…
Kritik:
Bereits der gerade heutzutage politisch unkorrekte Titel „Der Zigeuner“ deutet an, dass es Giovanni in seinem Film nicht um einen reinen Kriminalfall geht, sondern ebenso um die gesellschaftliche Isolation, in der sich die Titelfigur als Angehöriger eines heimatlosen Volkes befindet, das stets nur vorübergehend am Rande von Müllkippen geduldet wird und sich überall mit dem Vorurteil konfrontiert sieht, den Lebensunterhalt für die Gemeinschaft durch Diebstahl und Hehlerei zu verdienen.
Indem Giovanni die beiden Figuren des „Zigeuners“ Sennart und des wohlhabenden Kuq als Diebe anlegt, macht er die frappanten Unterschiede in der gesellschaftlichen Stellung der beiden Protagonisten umso deutlicher. Während Kuq die Anschuldigungen gegen ihn über seine Anwälte regeln lässt und in schicken Hotels absteigt, bewegen sich Sennart und seine beiden Komplizen im Untergrund, hausen in billigen Absteigen und ernähren sich von Bohnen aus der Dose.
Dieser Kontrast führt aber nichts zwangsläufig dazu, Alain Delons Figur uneingeschränkte Sympathien entgegenzubringen, denn bei seinen Überfällen hat der „Zigeuner“ keine Skrupel, auch einfache Polizisten ohne Not über den Haufen zu schießen.
Seine stärksten Momente hat „Der Zigeuner“ dann, wenn Delons Figur mit einem weißen und einer der Sinti- und Roma-Jungen über das Leben sinniert. Dabei wird auch deutlich, wie die Gesellschaft dem fahrenden Volk gegenübersteht, das von vornherein der Strafverfolgung ausgeliefert ist, während die Wohlhabenden immer einen Weg finden, sich aus einer schwierigen Lage hinauszumanövrieren und unbescholten ihr Leben weiterzuführen.
Abgesehen von diesen recht klischeehaft ausgearbeiteten gesellschaftlichen Positionen hat auch sonst die Inszenierung wenig Spannendes zu bieten, bleibt den Konventionen des Kriminalfilms verhaftet, so dass „Der Zigeuner“ zu den weniger spektakulären Filmen in der Biografie sowohl von José Giovanni als auch Alain Delon zählt. Interessant ist vor allem die Zusammenarbeit von Komponist Claude Bolling mit dem aus dem Sinti-Umfeld stammenden Jazz-Gitarristen und -Komponisten Django Reinhardt.
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