Geraubte Küsse

Seit seinem Langfilm-Regiedebüt „Sie küssten und sie schlugen ihn“ (1959) hat François Truffaut die Figur seines Alter Egos Antoine Doinel nicht mehr losgelassen. Nach dem halbstündigen Kurzfilm „Antoine und Colette“, den Truffaut zu dem internationalen Episodenfilm „Liebe mit Zwanzig (1962) beisteuerte, folgte erst sechs Jahre später mit der Liebeskomödie „Geraubte Küsse“ die Fortsetzung und der Mittelteil des letztlich fünfteiligen Antoine-Doinel-Zyklus. 

Inhalt: 

Um der Fixierung auf seine Freundin Christine Darbon (Claude Jade) zu entfliehen, hatte sich Antoine Doinel (Jean-Pierre Léaud) für drei Jahre in der Armee verpflichtet, doch sah er schnell ein, dass er in dieser Hinsicht die falsche Strategie einschlug. Nach seiner unehrenhaften Entlassung sucht er zunächst das erstbeste Bordell auf, dann das Elternhaus seiner Freundin Christine, die allerdings zurzeit mit Freunden beim Wintersport weilt. 
Das herzliche Willkommen durch Christines Eltern endet in der Vermittlung eines Jobs als Nachtportier in einem Hotel am Montmartre, den Antoine umgehend antreten kann. Dort besucht ihn Christine nach ihrer Rückkehr, und ganz zaghaft nähern sich die beiden wieder an, nachdem Antoine während seines Militärdienstes anfangs noch fleißig geschrieben hatte, der Briefkontakt aber einschlief. Einen Kuss, den Antoine Christine im Keller ihrer Eltern raubt, erwidert sie nicht. 
Nachdem er dem Gebaren eines Privatdetektivs auf den Leim gegangen ist und die Wohnung eines weiblichen Gastes stürmt, die das Bett mit ihrem Geliebten teilt, wird Antoine schon wieder vor die Tür gesetzt, bekommt aber durch den besagten Detektiv schon das nächste Jobangebot vermittelt. Als er im Schuhgeschäft von Georges Tabard (Michael Lonsdale) herausfinden soll, wer gegen den Geschäftsmann schlechte Stimmung macht, verliebt sich Antoine ausgerechnet in die mondäne Madame Tabard (Delphine Seyring). Der bislang eher spröden Christine fällt nun auf, dass sie doch mehr für Antoine empfindet als zunächst gedacht… 

Kritik: 

Neun Jahre sind seit Truffauts Regiedebüt und dem Auftakt des Antoine-Doinel-Zyklus vergangen. Mittlerweile ist der damals 12-jährige Knabe erwachsen und versucht, zum einen seinen Einstieg ins Berufsleben zu managen und zum anderen seine Beziehung zu Christine zu definieren. Truffaut bebildert diese doppelte Herausforderung im Leben des ruhelosen jungen Erwachsenen in einem bunten Reigen, der in einem episoden- und sprunghaften Inszenierungsstil festgehalten wird und durch die Improvisationen am Set einen sehr authentischen Charakter besitzt. 
Nach der eher langweiligen Zeit bei der Armee, die kaum thematisiert wird, lässt Truffaut sein Alter Ego durch eine Reihe von Liebeleien mit unterschiedlichen Frauen und ebenso unterschiedlichen Berufen durchlaufen, vom Nachtportier über einen Privatdetektiv bis zum Fernsehtechniker. Antoine bemüht sich nach Kräften, jeder neuen Herausforderung irgendwie gerecht zu werden, sei es in beruflicher Hinsicht wie in Liebesdingen, aber es wird schnell deutlich, dass nichts von Dauer ist, was Antoine sich vornimmt. Allerdings versieht Truffaut dieses Ausprobieren mit einem so wunderbar leichten Ton, dass dabei weder Langeweile noch kritische Untertöne aufkommen. Mit der unbeschwerten Rastlosigkeit, die Antoine an den Tag legt, ist der Keim für die späteren Fortsetzungen „Tisch und Bett“ (1970) und „Liebe auf der Flucht“ (1979) gelegt, mit denen Truffaut die Geschichte von Antoine und Christine fortsetzt. 

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