Die schöne Hochzeit

Kaum ein Regisseur hat es seine gesamte filmische Karriere über so verstanden, den Zauber der Liebe nicht in erotischen Phantasien, sondern in lebendigen Dialogen einzufangen wie Nouvelle-Vague-Mitbegründer Éric Rohmer. Nach seinem sechs Filme umfassenden ersten Filmzyklus „Moralische Erzählungen“, in denen sich vor allem alles um die Bedürfnisse der Männer drehte, die oftmals vor der Wahl zwischen zwei Frauen standen, rückt in seinem zweiten Zyklus „Komödien und Sprichwörter“ endlich die Frau in den Mittelpunkt der amourösen Diskurse, erstmals im zweiten Werk des Zyklus, „Die schöne Hochzeit“ (1982).
Sabine (Béatrice Romand) steht kurz vor dem Examen ihres Studiums der Kunstgeschichte und verdient sich ihren Lebensunterhalt als Verkäuferin in einem kleinen Antiquitätenladen in Le Mans. Zufrieden ist sie jedoch weder mit ihrer Wohnungssituation noch mit ihrer langweiligen Arbeit und ihrem Liebesleben. Als sie beim Sex mit dem Maler Simon (Féodor Atkine) durch einen Telefonanruf von Simons Sohn gestört wird, entscheidet sich die impulsive Sabine, die Affäre mit dem verheirateten Mann sofort zu beenden und sich auch in zukünftig von dieser Art an Abenteuern fernzuhalten. Stattdessen beschließt sie noch beim Abschied von Simon zu heiraten. Der passende Mann wird sich schon finden lassen. Als ihre beste Freundin Clarisse (Arielle Dombasle) von diesem Vorhaben erfährt, hat diese bereits den richtigen Mann für sie, ihren Cousin Edmond (André Dussollier). Der arbeitet als erfolgreicher Anwalt in Paris, sieht gut aus, ist ungebunden und bislang mit zierlichen, brünetten Frauen wie Sabine gesehen worden. Bei der Hochzeit von Clarisses Bruder ergibt sich auch gleich die Möglichkeiten, die beiden einander vorzustellen. Dabei ist Clarisse klar, dass sie gerade Zeugin einer Liebe auf den ersten Blick geworden ist.
Zwar muss Edmond wegen einer dringenden beruflichen Angelegenheit die Feier gleich wieder verlassen, aber Clarisse macht ihrer Freundin deutlich, dass sie nun das Eisen so lange schmieden muss, solange es noch heiß ist. Doch Edmond ist beruflich sehr stark eingespannt, die sporadischen Verabredungen führen zu keinen zärtlichen Kontakten. Auch auf Sabines Geburtstagsparty lässt sich Edmond nur sehr spät und viel zu kurz blicken. Trotz der andauernden Rückschläge und Enttäuschungen lässt sich Sabine nicht von dem Plan abbringen, Edmond zum Mann zu nehmen …
Nach den durchaus unterhaltsamen, aber auch sich thematisch etwas wiederholenden Werken des Zyklus „Moralische Erzählungen“ aus der männlichen Perspektive wirkt „Die schöne Hochzeit“ besonders erfrischend, weil Rohmer es sichtlich versteht, die Gefühls- und Gedankenspiele rund um die Liebe auch aus dem weiblichen Blickwinkel unterhaltsam abzubilden. Im Gegensatz zu dem meist tristen Ambiente in „Die Frau des Fliegers“ (1981) wechselt Rohmer in „Die schöne Hochzeit“ immer wieder die Örtlichkeiten zwischen Paris, Le Mans und Ballon, nimmt den Zug und einen R4 als Symbol für die Bewegung zwischen den Klein- und Großstädten und dokumentiert so auch die Diversität der Milieus. Während ihre mit einem Arzt verheiratete Freundin Clarisse bereits aus einer Arztfamilie stammt und mit dem Bemalen von Lampenschirmen in ihrem kleinen Atelier die Freiheit ausleben kann, das zu tun, was ihr Herz begehrt, ist Sabine in jeder Hinsicht noch auf der Suche – nach einem eigenen Zuhause, einem passenden Beruf und einem Ehemann.
Rohmer nimmt sich viel Zeit, vor allem die Freundschaft zwischen Sabine und Clarisse vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen sozialen Stellung zu beschreiben. In ausführlichen, nie langweiligen Dialogen erfahren wir so, was Sabine vom Leben und von der Liebe erwartet, doch muss sie mit der Zeit leider erkennen, dass ihr spontaner Wunschehemann Edmond ganz andere Vorstellungen von seinem Leben teilt. Es ist einfach belebend und amüsant zu verfolgen, wie Rohmer ebenso feinfühlig wie analytisch in die Seelenzustände seiner ganz gewöhnlichen ProtagonistInnen eintaucht. Während Liebe in modernen Filmen meist nur über die erotische Komponente im Kino abgebildet wird, geht Rohmer auch in „Die schöne Hochzeit“ seinen ganz eigenen Weg, lässt wie immer die Erotik komplett außen vor und fokussiert sich ganz auf den minimalistisch inszenierten wortreichen Austausch von Gedanken und Emotionen. Das wirkt auch nach fast vierzig Jahren überhaupt nicht anachronistisch, sondern einfach zeitlos schön.
"Die schöne Hochzeit" in der IMDb

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