Shivers - Parasiten-Mörder

Bevor der kanadische Filmemacher David Cronenberg mit der Stephen-King-Verfilmung „Dead Zone – Der Attentäter“ (1983) und dem Remake des Horror-Klassikers „Die Fliege“ (1986) seinen Durchbruch in Hollywood feierte, machte er mit blutigen Horror-Streifen wie „Rabid – Der brüllende Tod“ (1977), „Die Brut“ (1979) und „Scanners“ (1981) auf sich aufmerksam. Für sein kommerzielles Langfilmdebüt „Shivers – Parasiten-Mörder“ (1975) konnte er Ivan Reitman („Ghostbusters“, „Dave“) als Produzenten gewinnen und einen ersten Baustein zu seinem Ruf als „King of Venereal Horror“ bzw. als „Baron of Blood“ zementieren.
Auf einer abgelegenen Insel in der Nähe von Montreal wirbt ein luxuriöser Apartmentkomplex mit allen Annehmlichkeiten der modernen Welt, individuell ausgestatteten Wohnungen mit modernen Elektrogeräten, Panoramafenstern, vielfältigsten Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten. Doch inmitten des luxuriösen Ambientes herrscht das pure Grauen: Als der Wissenschaftler Dr. Emil Hobbes (Fred Doederlein) eine junge Frau ermordet, ihre geöffnete Bauchhöhle mit Säure begießt und sich anschließend selbst die Kehle durchschneidet, ruft das nicht nur die Kriminalpolizei auf den Plan, sondern vor allem den Arzt Roger St. Luc (Paul Hampton), der als Allgemeinmediziner mit seiner Praxis für die gesundheitliche Fürsorge der Apartmentbewohner zuständig ist. Zusammen mit seiner Krankenschwester Forsythe (Lynn Lowry) muss er sich nämlich um weitere Fälle kümmern, in denen die Bewohner von schleimigen Parasiten angegriffen und – ungeachtet ihres Alters – zu sexsüchtigen Zombies degenerieren. Von seinem ehemaligen Kommilitonen Rollo Linsky (Joe Silver), der mit Hobbes zusammen geforscht hat, erfährt Roger St. Luc, dass Hobbes vor seinem Tod an der Züchtung von Parasiten gearbeitet hat, die im menschlichen Körper die Funktion von defekten Organen übernehmen und damit zukünftig Transplantationen überflüssig machen sollen. Stattdessen stimulieren die Parasiten den Sexualtrieb ihrer Wirte ins Unermessliche und sichern so ihre rasche Vermehrung …
Auch wenn „Shivers“ damals zum kommerziell erfolgreichsten Film in Kanada avancierte und den Namen David Cronenberg einem größeren Publikum bekanntmachte, musste der Drehbuchautor und Regisseur den Preis des Ruhms teuer bezahlen. Der in gerade mal 15 Tagen mit einem schmalen Budget von 179.000 kanadischen Dollar abgedrehte Film wurde nämlich teilweise vom National Film Board of Canada finanziert und sorgte sogar im kanadischen Parlament für Diskussionen über den sozialen und künstlerischen Wert des Films. Cronenberg wurde daraufhin nicht nur von seiner Vermieterin, die Mitglied einer antipornographischen Vereinigung gewesen ist, wegen der Verletzung einer Moralklausel aus seinem Apartment in Toronto rausgeschmissen, sondern hatte in der Folgezeit größere Probleme, seine Filme zu finanzieren.
Auch wenn seinem kommerziellen Durchbruch die kurze Drehzeit und das mickrige Budget jederzeit anzusehen sind, demonstriert er doch bereits Cronenbergs Qualität, die Schattenseiten der modernen Zivilisation in erschreckenden Bildern auf die Spitze zu treiben, wobei er sich gern von den Untergangsszenarien J.G. Ballards inspirieren ließ, dessen Roman „Crash“ er 1996 noch verfilmen sollte. Bereits in der Eingangssequenz von „Shivers“ stellt Cronenberg die Werbeeinblendungen für das Luxus-Anwesen dem brutalen Übergriff von Hobbes auf die junge Frau gegenüber und macht so sein Unbehagen darüber deutlich, dass die Sehnsucht nach den Annehmlichkeiten in einer zunehmend zivilisierteren Welt auch ihre dunkle Seite besitzt.
Das wird vor allem in der Szene deutlich, als Linsky seinem ehemaligen Kommilitonen Hobbes‘ Forschungsansatz zu erklären versucht. Demnach sah Hobbes den Menschen als rational überentwickeltes Tier an, das den Kontakt zu seinem Körper und seinen Instinkten verloren habe. Durch die Züchtung der Parasiten wollte er eine Verbindung von Aphrodisiaka und einer Geschlechtskrankheit entwickeln, die die Welt in eine wundervolle, hirnlose Orgie verwandelte. Tatsächlich hat Cronenberg seinen Parasiten eine phallusartige, unappetitliche Form verliehen, die schon beim Anschauen grauenvolle Gefühle hervorruft. Allerdings ist der Film so auf die Darstellung der Parasiten und ihrer destruktiven Vorgehensweise konzentriert, dass die menschlichen Darsteller zur Nebensache degradiert werden, eben nur als Wirte, die durch die Parasiten zu ungezügelten Sexmonstern mutieren. Die Zombie-Thematik knüpft nahtlos an George Romeros „Die Nacht der lebenden Toten“ (1968) an, doch nimmt bei Cronenberg der Body-Horror in der freizügigen Darstellung von nackter Haut und viel Blut ganz neue Formen an, die wegweisend vor allem für das Splatter-Genre werden sollten.
So ist „Shivers“ in Sachen Story-Entwicklung, Spannungsaufbau und Darstellerkunst zwar nur unteres Mittelmaß, die Thematisierung von Untergangsvisionen angesichts oft zweifelhafter Errungenschaften der modernen Zivilisation aber bemerkenswert.
"Shivers - Parasiten-Mörder" in der IMDb

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