Briefe aus dem Jenseits

Bevor Martin Gabel sich als Schauspieler in dem US-Remake von Fritz Langs „M“ (1951), Alfred Hitchcocks „Marnie“ (1964) und Billy Wilders „Extrablatt“ (1974) einen Namen machte, war er auf dem Broadway zu Hause und lieferte ohne jegliche Filmerfahrung mit „Briefe aus dem Jenseits“ (1947) seine erste und einzige Regiearbeit ab, die allerdings fürchterlich floppte. Tatsächlich präsentiert sich die sehr freie Adaption von Henry James‘ Novelle „The Aspern Papers“ als kuriose Mischung aus Melodram, Fim noir und Romanze. 

Inhalt: 

Auf der Suche nach den Liebesbriefen des im Jahr 1843 in Venedig verschollenen Dichters Jeffrey Ashton, die der Amerikaner seiner Geliebten Juliana geschrieben hatte, reist der US-amerikanische Verleger Lewis Venable (Robert Cummings) nach Venedig, wo er sich über seinen Bekannten Charles Russel (John Archer) unter dem Namen William Burton im Haus der mittlerweile über hundertjährigen Juliana Bordereau (Agnes Moorehead) und ihrer Nichte Tina (Susan Hayward) ein Zimmer mieten lässt. Während Venable/Burton von dem Dienstmädchen Amelia (Joan Lorring) freundlich empfangen wird, geriert sich die alte Dame gierig und Tina demonstriert sogar deutlich ihren Widerwillen gegen die Anwesenheit des vermeintlichen Schriftstellers. Der lässt wiederum kaum eine Gelegenheit aus, der gebrechlichen Dame seine Aufwartung zu machen, um so mehr über die Briefe und das Schicksal ihres Verfassers herauszufinden. 
Als er eines Abends den verführerischen Klängen eines Klaviers im Hause folgt, entdeckt er die völlig veränderte Tina am Flügel. Ihr sonst so streng zusammengebundenes Haar fällt ihr lockig über die Schultern, ihr Kostüm hat sie gegen ein schickes Kleid eingetauscht. Offenbar hält sich Tina für die junge Juliana und glaubt in Burton ihren Geliebten Jeffrey zu sehen. Der lässt sich nur zu gern von Tina/Juliana küssen und hofft, durch die offensichtlich schizophrene Frau den Aufenthalt von Jeffreys Briefen zu erfahren … 

Kritik: 

Henry James ließ sich für seine 1888 erschienene Novelle „The Aspern Papers“ von einer Episode inspirieren, die ihm während eines Aufenthalts in Florenz zugetragen wurde. Demnach mietete sich dort im Jahr 1879 ein Liebhaber des englischen Dichters Percy Bysshe Shelley im Haus der betagten Shelley-Geliebten Claire Clairmont ein, um dort nach unveröffentlichtem Material des berühmten Poeten zu suchen, das er publizieren wollte. Clairmonts unscheinbare Nichte soll dem Shelley-Fan schließlich die Briefe gegen Geld angeboten haben. 
In „Briefe aus dem Jenseits“ wird das Geschehen von Florenz ins geheimnisvollere Venedig verlegt, die Nichte wirkt hier außerordentlich attraktiv. Der Film fokussiert sich zur Hälfte auf die Suche des New Yorker Verlegers nach Ashtons Liebesbriefen, wobei er schließlich von seinem Bekannten erpresst wird, als dieser erkennt, welchen Wert die Briefe für Venable besitzen, zur Hälfte auf die Beziehung des Protagonisten zu der schizophrenen Tina. Die (Studio-)Kulisse von Venedig wirkt dabei weniger spektakulär als das weitläufige, jedoch etwas heruntergekommene Anwesen der ebenso greisen wie verarmten Ashton-Geliebten. Dem Oscar-prämierten Hal Mohr („A Midsummer Night’s Dream“, „Phantom of the Opera“) gelangen für den Film noir typische Schwarzweiß-Bilder mit faszinierenden Schatten, doch mag sich der Film nicht recht entscheiden, inwieweit er Hitchcocks „Rebecca“ kopieren oder sich davon abheben will. 
Robert Cummings („Bei Anruf Mord“, „Saboteure“) und Susan Hayward („Mit einem Lied im Herzen“, „Zum Leben verdammt“) geben jedenfalls ein nettes Leinwand-Paar ab, ohne dass die Romanze allzu sehr in den Vordergrund gerückt wird. Doch wirklich packend ist der romantische Gothic-Krimi nicht inszeniert, weshalb er gerade mal etwas mehr als die Hälfte des Budgets von 1,3 Millionen US-Dollar einspielte und den kurzen Auftritt von Martin Gabel als Regisseur schon wieder beendete.  

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