Freud

John Huston hat seit seinem Regiedebüt im Jahr 1941 mit dem zum Klassiker avancierten Film noir „Die Spur des Falken“ ganz unterschiedliche Genres beackert, so auch mit „Moulin Rouge“ (1952) ein farbenfrohes Biopic über den französischen Maler Toulouse-Lautrec. Mit „Freud“ (1962) kehrte Huston zehn Jahre später zwar zu dem biografischen Genre zurück, inszenierte das packende Drama aber in Schwarzweiß und konzentrierte sich nur auf die kurze Phase, in der Sigmund Freud die Theorie des Unbewussten entwickelte. 

Inhalt: 

Nachdem Sigmund Freud (Montgomery Clift) in Wien als Neurologe mit seiner Auffassung über Hysterie mit seinem Vorgesetzten Dr. Theodore Meynert (Eric Portman) 1885 in Wien aneinandergerät, entschließt er sich, nach Paris zu gehen, um bei Dr. Charcot (Fernand Ledoux) zu studieren. In einer seiner Stunden führt er den jungen Ärzten vor, wie verschiedene körperliche Symptome wie gelähmte Gliedmaßen oder unkontrolliertes Zittern psychische Ursachen haben und durch Hypnose nicht nur geheilt, sondern auch hervorgerufen werden können. Freud leitet daraus ab, dass das Unterbewusstsein vom rationalen Denken abgekoppelt ist und im Verborgenen für zahlreiche Verhaltensstörungen verantwortlich zeichnet, wenn Traumata nicht vernünftig aufgearbeitet werden. 
Als Freud bei seiner Rückkehr nach Wien seinen Kollegen seine Theorien vorstellt, finden diese nur wenig Anklang bei seinen Kollegen. Dr. Meynert fasst seine Einschätzung mit den Worten zusammen, dass der Vortrag zwar viel Neues und Wahres enthalten habe, doch das Neue sei nicht wahr und das Wahre nicht neu. Allein Dr. Josef Breuer (Larry Parks) kann sich mit den von Freud dargelegten Theorien anfreunden und bringt ihn mit zwei seiner Patienten zusammen, an denen er seine Theorien ausprobieren soll. 
Die junge Cecily Koertner (Susannah York) beispielsweise leidet unter der frühkindlichen Sexualität, die durch die inzestuöse Beziehung zu ihrem Vater (Joseph Fürst) zu neurotischen Symptomen führte, während Carl von Schlosser (David McCallum) davon träumt, seinen Vater umzubringen. Indem sich Freud den beiden Patienten mittels Hypnose ihren Problemen auf den Grund kommt, macht er den Sexualtrieb grundsätzlich für psychische Störungen verantwortlich, kommt aber auch seiner eigenen Neurose auf die Spur. Bei der Beerdigung seines Vaters wurde Freud nämlich vor dem Durchgang zum Friedhof ohnmächtig … 

Kritik:

Dass sich Hustons Film nur auf die Jahre 1885 – 1890 im Leben und Werk von Sigmund Freud (1856 - 1939) konzentriert, ist dem ersten Drehbuchentwurf geschuldet, mit dem niemand Geringeres als Jean-Paul Sartre beauftragt wurde, dessen Skript mit mehreren hundert Seiten aber viel zu ausführlich ausfiel, weshalb Charles Kaufman („Südseezauber“) und Wolfgang Reinhardt („Hitler – Die letzten zehn Tage“) nur einen kurzen, aber bedeutenden Abschnitt im Leben des Begründers der Psychoanalyse abdecken. Auch die Dreharbeiten gestalteten sich schwierig, denn der machohaft auftretende Huston setzte dem homosexuellen, unter Depression und Alkoholismus leidenden Hauptdarsteller so oft zu, dass Clift, mit dem Huston bereits ein Jahr zuvor an „Misfits – Nicht gesellschaftsfähig“ zusammengearbeitet hatte, am Ende sogar das Studio verklagte und Recht bekam. Vier Jahre später starb Clift im Alter von nur 45 Jahren an einem Herzinfarkt. Trotz oder gerade wegen dieser schwierigen Begleitumstände überzeugt Montgomery Clift („Verdammt in alle Ewigkeit“, „Ich beichte“) als ambitionierter Neurologe, der durch seine genaue Beobachtungsgabe und sein ausgeprägt analytisches Denken das Weltbild des Menschen einmal mehr auf den Kopf gestellt hat, nachdem bereits Kopernikus und Darwin das Bild des im Zentrum von allem stehenden Menschen demontiert hatten. 
Die Art und Weise, wie Freud durch Hypnose, aber auch durch die Deutung von Träumen das Unterbewusstsein des Menschen entdeckt, hat Huston wie ein Thriller-Drama inszeniert, das immer weitere Schichten im Krankheitsbild seiner Patienten, dann aber auch seiner eigenen neurotischen Züge freilegt. Die beeindruckende Kameraarbeit von Douglas Slocombe („Der Löwe im Winter“, „Der blaue Max“) und der kongeniale, Oscar-nominierte Score von Jerry Goldsmith („Das Omen“, „Total Recall“) sorgen neben den guten Darstellern dafür, dass „Freud“ trotz der simplifiziert dargestellten Prozesse und Ideen noch lange nachhallt im Bewusstsein des Zuschauers. 

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