Die blaue Dahlie
Raymond Chandler (1888-1959) lieferte bereits die Romanvorlagen zu den Film noirs „The Falcon Takes Over“ (1942) und „Time to Kill“ (1942), ehe er zu Billy Wilders Klassiker „Frau ohne Gewissen“ (1944) das Drehbuch zum Roman seines Hardboiled-Kollegen James M. Cain verfasste und Paramount schließlich anbot, ein Originaldrehbuch abzuliefern. Die Gelegenheit erschien günstig, da Hollywood-Star Alan Ladd gerade aus dem Krieg zurückgekehrt war und das Studio ein passendes Projekt für ihn suchte, das ihn schließlich ein drittes Mal nach in „Der gläserne Schlüssel“ und „Die Narbenhand“ (beide 1942) mit Veronica Lake zusammenbrachte.
Bei seiner Rückkehr aus dem Krieg wird Johnny Morrison (Alan Ladd) von seinen beiden Freunden George (Hugh Beaumont) und Buzz (William Bendix) in Empfang genommen. Bei einigen Drinks in einer Bar in Hollywood gerät der im Krieg lädierte Buzz in einer Schlägerei, weil ihn die dort gespielte rhythmische Musik ganz verrückt mache. Sein Hinweis auf die Stahlplatte in seinem Schädel setzt der Auseinandersetzung aber schnell ein Ende. Als Johnny zu seiner Frau Helen (Doris Dowling) zurückgeht, feiert die Schauspielerin gerade eine feuchtfröhliche Party im Bungalow eines Hotels, wobei sie heftig mit dem Nachtclubbesitzer Eddie (Howard Da Silva) flirtet, dem Johnny gleich eins auf die Nase gibt. Die Party wird daraufhin von Helen beendet. Johnny drängt sie, mit dem Trinken aufzuhören, und bei dem nachfolgenden Streit gesteht Helen, dass ihr gemeinsamer Sohn Dick nicht etwa wie behauptet an Diphterie gestorben ist, sondern ein Opfer von Helens Trunksucht am Steuer wurde. Johnny gibt dem kurz aufflammenden Drang, seine Frau zu erschießen, nicht nach und wirft seine Pistole verächtlich auf einen Sessel, packt seine Sachen und geht ziellos im Regen die Straßen entlang, wo er von der blonden Schönheit Joyce Harwood (Veronica Lake) in ihrem Auto mitgenommen wird.
Sie übernachten zusammen – aber in getrennten Zimmern – in einem Hotel. Währenddessen macht sich Buzz auf die Suche nach seinem Freund Johnny und trifft Helen zufällig in der Hotelbar. Am nächsten Morgen wird Helen von dem Hoteldetektiv „Dad“ Newell (Will Wright) erschossen in ihrem Bungalow aufgefunden. Die Meldung macht schnell im Radio und in den Zeitungen die Runde. Joyce Harwood, die zufälligerweise die Ehefrau des Nachtclubbesitzers Eddie ist, aber getrennt von ihm lebt, ahnt sofort, dass der Mann, den sie am Abend zuvor auf der Straße aufgelesen hat, der gesuchte Mann der Ermordeten ist. Während Johnny zunächst in einer zwielichtigen Absteige unterkommt wird, vom Inhaber Corelli (Howard Freeman) aber erpresst wird, macht sich Captain Hendrickson (Tom Powers) an die Ermittlungen …
Kritik:
Regie-Routinier George Marshall („Ehrlich währt am längsten“, „Der große Bluff“) inszenierte mit „Die blaue Dahlie“ einen sehenswerten Film noir, der als klassischer Whodunit-Krimi angelegt ist und ein typisches Thema der Nachkriegs-Ära und des Film noir aufgreift, nämlich die Heimatlosigkeit der Kriegsheimkehrer. Im Gegensatz zu seinem versehrten Freund Buzz, dessen Darsteller William Bendix („Das Rettungsboot“, „Der gläserne Schlüssel“) wunderbar die psychischen Deformationen durch den Krieg verkörpert, scheint Johnny Morrison die Kriegserfahrungen gut verarbeitet zu haben, kommt sich aber gänzlich fremd vor, als er zu seiner Frau und ihren ihm völlig unbekannten Freunden zurückkehrt.
Der Umstand, dass sich seine Frau während seiner Abwesenheit offenbar einen Liebhaber hielt, und die wahren Hintergründe über den Tod ihres gemeinsamen Kindes führen zur Trennung, doch lange allein bleibt Alan Ladds Johnny zum Glück nicht. Die zarte Romanze mit Joyce Harwood bestimmt neben dem Krimi-Plot den zweiten Handlungsstrang, wobei so einige Zufälle wie die Tatsache, dass Helens Geliebter der Mann von Joyce ist, doch arg konstruiert wirken. Der Plot hält allerdings das Tempo sehr hoch, wartet mit immer neuen Wendungen auf und bleibt bis zum Schluss spannend, auch wenn Marshall den Stoff recht konventionell umsetzt. Es ist wohl in erster Linie den von Chandler geschriebenen geschliffenen Dialogen zu verdanken, dass „Die blaue Dahlie“ auch heute noch zu den weniger bekannten Perlen des Genres zählt, nachdem er 1946, als auch Howard Hawks‘ „Tote schlafen fest“ mit Bogart ins Kino kam, eher ein Schattendasein führte.
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