Fat City
John Huston begann Anfang der 1940er Jahre, gleich mehrere Meisterwerke wie „Die Spur des Falken“ (1941), „Der Schatz der Sierra Madre“ (1948) und „Asphalt-Dschungel“ (1950) abzuliefern, doch konnte er diese Qualität gerade in den 1960er Jahren nicht mehr durchweg aufrechterhalten. Mit dem Boxer-Drama „Fat City“ (1972) fand Huston aber wieder zu alter Stärke zurück.
Inhalt:
Seit seine Frau ihn verlassen hat, hängt der ehemalige Schwergewichts-Profiboxer Billy Tully (Stacy Keach) ganz schön durch. Er lebt in der kalifornischen Kleinstadt Stockton, wo er sich mit Tagelöhner-Jobs auf den Feldern über Wasser hält und sich ansonsten in Bars herumtreibt. Um aus dem Teufelskreis von Armut und Trunkenheit herauszukommen, will er wieder mit dem Boxen anfangen. Beim YMCA lernt er den 18-jährigen Ernie Munger (Jeff Bridges) kennen, dessen Talent er beim Sparring erkennt, weshalb er ihn an seinen ehemaligen Manager Ruben (Nicholas Colasanto) verweist. Auch Ruben ist von dem großgewachsenen weißen Jüngling mit großer Reichweite angetan und nimmt ihn bald zu Amateur-Wettkämpfen mit, doch werden seine Hoffnungen auf eine rasante Boxer-Karriere schnell zerstört.
Nachdem er die ersten Kämpfe verloren hat, wird seine Freundin Faye (Candy Clark) von ihm schwanger, so dass er ebenso wie Tully auf den Obst- und Gemüse-Plantagen für seinen Lebensunterhalt aufkommen muss. Tully kommt durch Ernie jedenfalls auf den Geschmack, ebenfalls wieder in den Boxring zu steigen, und sucht ebenfalls Rubens Trainingshalle auf, obwohl er ihn für den Fehlschlag seines letzten Kampfes verantwortlich macht. Mit 29 Jahren fühlt sich Tully aber fit genug, es noch einmal zu versuchen. Allerdings zieht ihn die Beziehung zur trinkfreudigen Oma (Susan Tyrrell) wieder runter. Nachdem ihr Freund Earl (Curtis Cokes) nämlich eine Haftstrafe antreten muss, nimmt Tully seinen Platz in ihrer Wohnung ein, erträgt aber die vollständige Antriebslosigkeit der ständig Betrunkenen nicht mehr …
Kritik:
John Huston verfilmte mit „Fat City“ den gleichnamigen Roman von Leonard Gardner, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete und ebenso wie Huston selbst Amateurboxer gewesen ist. Dieser Umstand und die Tatsache, dass auch einige der Nebendarsteller wie Curtis Cokes und Art Aragon Boxer gewesen sind, trägt zur authentischen Atmosphäre des Films bei, der gerade zu Beginn mit realen Straßenaufnahmen das soziale Klima in Stockton wunderbar einfängt.
Im Zentrum der Geschichte überzeugt Stacy Keach („Doc“, „Nebraska“) als einst erfolgreicher Profi-Boxer mit Haus, Frau und schickem Auto, der nach dem Karriereende alles verloren hat, aber nach wie vor davon träumt, wieder an bessere Zeiten anknüpfen zu können. Wie schwierig sich das bewerkstelligen lässt, muss er nicht nur am eigenen Leib erfahren, sondern er sieht es auch an dem talentierten, zehn Jahre jüngeren Ernie, der durch die Schwangerschaft seiner Freundin sein Leben auf solidere Füße stellen muss, um eine Familie ernähren zu können. Aber auch die im Suff entstandene Beziehung zu Oma trägt nicht zur Stabilisierung von Tullys Lebensstil bei.
Huston zeigt sehr deutlich auf, wie die labile Oma sich so sehr gehen lässt, dass sie auch Tullys Energie, zu neuen Ufern aufzubrechen, im Keim erstickt wird. Am Ende sitzen Tully und Ernie in einer Bar und philosophieren bei einem Kaffee über ein glückliches Leben, aber als Ernie gehen will und Tully ihn überredet, noch zu bleiben, um noch etwas zu quatschen, fällt ihm nichts mehr ein. Desillusioniert blickt sich Tully in der Bar um und erkennt, dass das Leben nichts mehr für ihn parat hat.
Conrad L. Hall („American Beauty“, „Zwei Banditen“) hat diese Verlierer-Geschichte in meisterhaften Bildern eingefangen, aber es sind vor allem Hustons straffe, mit Sympathien für seine zum Scheitern verurteilten Figuren geprägte Inszenierung und die grandiosen Darsteller, die „Fat City“ zu einem kleinen Juwel machen. Susan Tyrrell erhielt für ihre Darstellung der labilen Oma sogar eine Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellerin.
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