Angeklagt
Jodie Foster war gerade mal sieben Jahre alt, als sie ihre erste Rolle in der Fernsehserie „Doris Day in…“ spielte. Nach unzähligen weiteren Kinderrollen in Fernsehfilmen und -serien entdeckte sie Martin Scorsese für „Alice lebt hier nicht mehr“ (1974) und „Taxi Driver“ (1976), Alan Parker besetzte sie in seiner nur mit Kindern besetzten Gangster-Satire „Bugsy Malone“ (1976), bevor die junge Schauspielerin auch in Hauptrollen besetzt wurde. Ihren ersten Oscar erhielt sie für ihre bewegende Darstellung eines Vergewaltigungsopfers in Jonathan Kaplans nach wahren Begebenheiten inszenierten Drama „Angeklagt“ (1988).
Inhalt:
Nach einem Streit mit ihrem Freund will die Kellnerin Sarah Tobias (Jodie Foster) in einer Bar auf andere Gedanken kommen. Zusammen mit ihrer Freundin Sally Fraser (Ann Hearn) genehmigt sie sich einen Joint und trinkt ein paar Bier, wobei ihr die interessierten Blicke der Männer nicht entgehen. Doch die Stimmung schlägt um, als sich aus dem Flirt mit den jungen Männern eine Situation entwickelt, in der Sarah auf einem Flipperautomaten gleich von mehreren Männern vergewaltigt wird, während die anderen Barbesucher tatenlos zuschauen oder die jungen Männer sogar anfeuern. Dann kann sich Sarah befreien und aus der Bar fliehen. Ein vorbeifahrender Wagen nimmt sie mit in die Stadt, wo sie bei der Polizei Anzeige erstattet und im Krankenhaus ihre Wunden dokumentieren lässt.
Als sich die Bezirks-Staatsanwältin Kathryn Murphy (Kelly McGillis) mit Sarahs Aussage auseinandersetzt, sieht sie allerdings kaum eine Chance, den Fall vor Gericht zu bringen. Zwar kann sie die drei Männer identifizieren, die sie vergewaltigt haben, doch da Sarah selbst unter Drogen stand und bei ihrem Lebenswandel nicht die glaubwürdigste Zeugin darstellt, einigt sich Murphy mit den Anwälten der Beschuldigten auf eine Reduzierung des Tatvorwurfs auf gefährliche Körperverletzung, was für die drei jungen Männer eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb bis fünf Jahren bedeutet.
Sarah ist völlig entsetzt über den Deal, den die Anwältin ohne Absprache mit den Vergewaltigern eingegangen ist, und macht ihr in Murphys Wohnung vor ihren Gästen eine Szene. Als Sarah dann von einem der anfeuernden Männer in der Bar, Cliff „Scorpion“ Albrect (Leo Rossi), in einem Geschäft belästigt wird, rammt sie mit ihrem Wagen den Truck des Mannes und landet erneut im Krankenhaus. Von ihrem schlechten Gewissen angetrieben und durch die neuen Entwicklungen bestärkt, verfolgt die Staatsanwältin nun eine neue Strategie und will auch die Männer vor Gericht bringen, die die Vergewaltiger zu ihrem Verbrechen angestiftet haben, doch das bedeutet auch, dass Sarah im Zeugenstand den Abend ihrer Vergewaltigung noch einmal durchleben muss…
Kritik:
Nach dem wahren Fall der damals 21-jährigen Cheryl Araujo, die am 6. März 1983 in der Big Dan’s Bar in New Bedford, Massachusetts, Opfer einer Gruppenvergewaltigung wurde, inszenierte Jonathan Kaplan („Straße der Gewalt“, „Fatale Begierde“) ein Justiz-Drama, das sich auf der einen Seite – wenn auch nur verhalten kritisch - mit dem Justizsystem der USA auseinandersetzt, auf der anderen Seite das Trauma einer jungen Frau thematisiert, die sich als Opfer einer Gruppenvergewaltigung nach Gerechtigkeit sehnt, stattdessen aber wegen ihres niedrigen gesellschaftlichen Standes und ihres anstößigen Lebenswandels von der Öffentlichkeit eher als „Nutte“ denn als Opfer betrachtet wird.
Kaplan entwickelt die an sich schlicht gestrickte Geschichte dramaturgisch geschickt, beginnt den Film mit Sarahs Flucht aus der Bar und dem Anruf eines jungen Mannes, der die Vergewaltigung mitverfolgt hat und nun die Polizei informiert. Was in der Bar tatsächlich geschehen ist, wird erst zum Finale offenbart. Bis dahin lässt Kaplan die Zuschauer mit ihren eigenen Vorstellungen über den Vorfall allein, wobei Sarahs Aussagen dazu der Fantasie allerdings kaum noch Raum geben.
„Angeklagt“ funktioniert dann vor allem gut, wenn die für ihre großartige Leistung mit einem Oscar und einem Golden Globe prämierte Jodie Foster die Erniedrigung, die Hilflosigkeit und die Fassungslosigkeit über das Verhalten der Barbesucher absolut glaubwürdig zum Ausdruck bringt.
Weniger subtil ist allerdings die Auseinandersetzung mit dem US-amerikanischen Rechtssystem gelungen, die sich auf simple Schwarzweiß-Rhetorik und plumpe Rollenklischees beschränkt. So ist vor allem den beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen zu verdanken, dass „Angeklagt“ mit seiner ans ich brisanten Thematik auch in der #metoo-Ära noch ein Ausrufezeichen zu setzen vermag.
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