Der einzige Zeuge

Der australische Filmemacher Peter Weir hat in den 1970er Jahren mit den düsteren Dramen „Picknick am Valentinstag“ (1975) und „Die letzte Flut“ (1977) international auf sich aufmerksam gemacht und mit „Gallipoli“ (1981) und „Ein Jahr in der Hölle“ (1982) seinem Landsmann Mel Gibson den Weg für dessen Hollywood-Karriere geebnet. Weir selbst feierte sein Hollywood-Debüt mit dem einfühlsamen, zweifach Oscar-prämierten Thriller-Drama „Der einzige Zeuge“ (1985), der zugleich Harrison Ford den Sprung ins Charakterfach ermöglichte. 

Inhalt: 

Nach dem Tod ihres Mannes reist die Amisch-Witwe Rachel Lapp (Kelly McGillis) mit ihrem achtjährigen Sohn Samuel (Lukas Haas) mit dem Zug nach Philadelphia. Da sich die Weiterreise nach Baltimore um mehrere Stunden verzögert, vertreibt sich Rachel die Zeit mit Handarbeiten, während Samuel fasziniert die ihm völlig fremdartige Umgebung erkundet. Als er auf die Toilette muss, wird der Junge Zeuge, wie ein Mann von zwei Männern überfallen und getötet wird. Dem Jungen gelingt es auf kluge Weise, unentdeckt zu bleiben, und berichtet später dem zuständigen Detective John Book (Harrison Ford), dass er nur einen der beiden Männer sehen konnte, einen großen Schwarzen. In der Verbrecherkartei und bei der Gegenüberstellung mit den üblichen Verdächtigen kann Samuel jedoch den Täter nicht entdecken. Als Book telefonieren muss, schlendert der Junge etwas durch das Revier und bleibt wie erstarrt vor einer Vitrine mit Sportpokalen stehen. Samuel entdeckt den Täter auf einem Foto in einem Zeitungsartikel, der dort aushängt, den im Rauschgiftdezernat arbeitenden Polizeileutnant James McFee (Danny Glover). Book ist wenig überrascht, war McFee doch vor einigen Jahren in einen Fall verwickelt, bei dem eine große Menge Kokain spurlos verschwunden war. Book weiß um die Tragweite von Samuels Entdeckung und versteckt Rachel und ihren Sohn bei seiner Schwester, informiert dann seinen Vorgesetzten Paul Schaeffer (Josef Sommer), der allerdings auch in die Korruptionsaffäre verwickelt ist, denn wenig später lauert McFee Book in der Tiefgarage auf und verpasst ihm einen Bauchschuss. Da es für die beiden Amisch-Leute zu gefährlich in der Stadt ist, fährt Book die beiden in ihre Amisch-Siedlung zurück, wo auch Book wegen seiner Verletzung bleiben muss und von Rachel gepflegt wird. 
Während Schaeffer und seine Komplizen herauszufinden versuchen, wo Book mit den Amisch-Leuten untergetaucht ist, kommen sich trotz der gewaltigen kulturellen Unterschiede Rachel und Book etwas näher… 

Kritik: 

Sowohl für Harrison Ford als auch Peter Weir entwickelte sich „Der einzige Zeuge“ als absoluter Glücksfall für ihre jeweiligen Karrieren. Weir schien der ideale Mann zu sein, um den für eine Hollywood-Produktion unüblichen Film zu inszenieren, stellt er doch vor allem den Kontrast zwischen der Gewalt der vermeintlich zivilisierten, hochmodernen Gesellschaft in den Städten und der nach strengen Glaubenslehren lebenden Amisch-Leute, die sich jeglicher Zuwendung moderner Errungenschaften wie Automobilen, Telefon, Radio und Fernsehen verweigern, wie ihre Vorfahren vor zwei Jahrhunderten leben und vor allem in der Landwirtschaft arbeiten, um sich selbst ernähren zu können. 
Das ursprüngliche Drehbuch von William Kelley und Earl W. Wallace wurde durch die Liebesroman-Autorin Pamela Wallace noch um die Romanze zwischen der Amisch-Witwe und dem Großstadt-Cop erweitert, und Peter Weir erweist sich als Meister der Inszenierung einer stimmigen Mischung aus Kriminaldrama, Milieustudie und Liebesgeschichte. 
„Der einzige Zeuge“ verdankt einen Großteil seiner Ausstrahlung den feinfühligen Beobachtungen im Leben der Amisch-Gemeinde, in der ganz andere Gesetze gelten als in der modernen Welt. Das bedeutet allerdings auch, dass es keine glückliche gemeinsame Zukunft für Book und Rachel geben kann, dass sich Rachel dann doch eher für den smarten Amisch-Typen Daniel Hochleitner (Alexander Godunov) entscheiden wird, der schon länger ein Auge auf die hübsche Rachel geworfen hat. 
Dass Weirs Hollywood-Debüt gleich acht Oscar-Nominierungen erhalten hat, spricht für sich. Dass Maurice Jarres elektronischer, nicht immer passender Score eine davon erhielt, mag überraschen, doch die Nominierungen für den besten Film, die beste Regie, die beste Kamera und das beste Szenenbild gehen ebenso in Ordnung wie die für Hauptdarsteller Harrison Ford (seine einzige bislang). Prämiert wurden letztlich zwar nur das Drehbuch und der Schnitt, aber die Zusammenarbeit zwischen Weir und Ford erwies sich als so fruchtbar, dass sie nur ein Jahr später auch das Drama „Mosquito Coast“ miteinander realisierten. 

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