Falling Down
Joel Schumachers (1939-2020) Karriere verlief alles andere als geradlinig. Nach den beiden unterschiedlich thematisierten, jedoch den jugendlichen Nerv der Zeit treffenden und mit großartigen Soundtracks versehenen Filmen „St. Elmo’s Fire“ und „The Lost Boys“ versuchte sich der Filmemacher erfolglos an zwei ideenlosen Liebesdramen („Seitensprünge“, „Entscheidung aus Liebe“) und brachte das erfolgreich gestartete „Batman“-Franchise mit seinen verhunzten Beiträgen „Batman Forever“ und „Batman & Robin“ zu einem vorzeitigen Ende. Auf der anderen Seite stehen die atmosphärisch gelungenen und spannenden John-Grisham-Adaptionen „Der Klient“ und „Die Jury“ sowie die in den frühen 1990ern entstandenen Thriller „Flatliners“ und „Falling Down“, beide hervorragend von James Newton Howard vertont und mit einem großartigen Cast besetzt. In dem 1993 inszenierten „Falling Down: Ein ganz normaler Tag“ ist Michael Douglas in einer seiner besten Rollen seiner Karriere zu sehen.
Eine Baustelle lässt die Autofahrer an einem heißen Sommertag in Los Angeles verzweifeln. Nichts geht mehr. Mitten in dem Stau verliert William Foster (Michael Douglas) allmählich die Geduld. Die Klimaanlage streikt, eine Fliege schwirrt unablässig um seinen verschwitzten Kopf herum, schließlich bricht auch noch der Fensterheber ab. Wütend schnappt sich William seine Aktentasche und verlässt unter Protest des hinter ihm stehenden Fahrers seinen Wagen (mit dem bezeichnenden Nummernschild „D-FENS“) und verkündet nur, dass er jetzt nach Hause gehe.
Als eine Motorradstreife vorbeikommt und sich die Beschwerde des aufgebrachten Fahrers anhört, stößt der beim Raubdezernat arbeitende und ebenfalls in dem Stau stehende Martin Prendergast (Robert Duvall) hinzu und schiebt mit den beiden anderen Männern das verlassene Fahrzeug auf die Seitenböschung. Zurück im Revier bereitet Prendergast seinen vorzeitigen Abschied aus dem Polizeidienst vor. Sein Captain (Raymond J. Barry) versucht nur halbherzig und nur weil es Vorschrift ist, den Schreibtischhengst zum Bleiben zu bewegen, doch seiner psychisch labilen Frau (Tuesday Weld) zuliebe, will er mit ihr nach London Bridge ziehen. An seinem letzten Arbeitstag geht er mit seiner jüngeren Kollegin Sandra (Rachel Ticotin) zu Mittag essen, dann wird er im Revier auf mehrere Ereignisse aufmerksam, in denen ein Weißer mit weißem Hemd und Krawatte verwickelt ist. Zunächst berichtet ihm ein koreanischer Ladenbesitzer davon, dass dieser Mann seinen Laden mit dem Baseballschläger verwüstet habe, den der Händler unter der Ladentheke zur Verteidigung liegen hatte. Der Mann sei nicht bereit gewesen, einen überteuerten Preis für eine Dose Cola zu bezahlen und kaufte sie schließlich für einen Preis, wie er 1965 angemessen war. Dann gerät Foster in einen Streit mit einer Latino-Jugendgang und erbeutet später von ihnen eine Sporttasche voller Waffen. Die Hutschnur platzt Foster allerdings, als er um kurz nach halb zwölf in einem Burger-Laden Frühstück bestellen will, von dem Filialleiter aber gesagt bekommt, dass Frühstück nur bis halb zwölf zu bestellen sei und er sich bitte etwas von der Mittagskarte aussuchen möchte. Auf dem Weg zu seiner Ex-Frau Beth (Barbara Hershey), die ein Kontaktverbot gegen ihn erwirkt hat, und seiner Tochter lässt sich Foster allerdings durch nichts aufhalten…
Kritik:
In erster Linie erscheint „Falling Down“ als Drama eines Mannes, der von Natur aus über einen Hang zur Gewalt verfügt, aber nie wirklich gegen seine Frau und seine Tochter Hand angelegt hat. Er war eben immer nur kurz davor. Der in einer großartigen Plansequenz eingefangene Stau vor einer Baustelle ist nur einer der Auslöser, die das Fass bei William „D-FENS“ Foster zum Überlaufen bringen. Natürlich spielt die schmerzliche Scheidung dabei ebenso eine Rolle wie der vor einem Monat verlorene Job bei einem Rüstungsunternehmen, aber es ist schließlich die Häufung alltäglicher Ärgernisse, die das Blatt zum wirklich Schlechten wenden lassen. Auf dem Weg von dem Stau nach Venice zu seiner Frau durchquert der typische Mittelschichts-Weiße das ganze Spektrum der amerikanischen Gesellschaft, bewegt sich durch die gefährlichsten, von Latinos beherrschten Viertel, wo er sich aber geschickt gegen Raub und Überfall wehren kann, bringt einen rassistischen Waffennarr zur Räson, beklagt, dass die Burger in Wirklichkeit nicht annähernd so lecker aussähen wie auf den Werbetafeln, und kann es nicht fassen, dass eine riesige Grünfläche nicht für Familien gedacht ist, sondern von einem Zaun gesäumt wird, damit die reichen Golfer bei ihrem elitären Spiel nicht gestört werden.
Fosters offen ausgesprochenen Kritikpunkte treffen den Nerv nicht nur der Neunziger. In seiner Zivilisationskritik ist „Falling Down“ erschreckend zeitlos. Joel Schumacher und sein Drehbuchautor Ebbe Roe Smith greifen die Diskussion um Gewalt und Waffenbesitz, um die ungerechte Verteilung von Besitztümern, um Rassismus, Medien, Werbung, Erziehung und letztlich um die moralische Integrität eines Staates, in dem die Freiheit und Gleichheit laut Verfassung das höchste Gut sein sollten.
Auch wenn „Falling Down“ recht plakative, teils zynische Kommentare dazu liefert, lebt er doch auch von den beiden an verschiedenen Fronten kämpfenden, letztlich doch gar nicht so unterschiedlichen Figuren, die von Michael Douglas und Robert Duvall großartig verkörpert werden. Die eindringlichen Bilder und der verstörende, rhythmisch pulsierende Score von James Newton Howard verstärken noch den starken Gesamteindruck eines fesselnden Thriller-Dramas.
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