Frantic

Mit den grandiosen Thriller-Dramen „Das Messer im Wasser“ (1962) und „Ekel“ (1965) machte der französisch-polnische Filmemacher Roman Polanski auch Hollywood auf sich aufmerksam, wo er sich mit der kultigen Horror-Komödie „Tanz der Vampire“ (1967), dem Horror-Drama „Rosemaries Baby“ (1968) und dem Neo-Noir „Chinatown“ (1974) einen Namen machte. Nachdem der Filmemacher aber 1977 in Los Angeles wegen „Vergewaltigung unter Verwendung betäubender Mittel“ der damals 13 Jahre alten Samantha Jane Gailey angeklagt wurde, flüchtete Polanski nach Frankreich ins Exil und kehrte Hollywood für immer den Rücken. In den 1980er Jahren blieb es deshalb in produktiver Hinsicht recht ruhig um den Regisseur, dessen Karriere nach dem kolossalen Flop mit „Piraten“ (1986) schon vor dem Aus schien. Doch 1988 meldete er sich eindrucksvoll mit der Hitchcock-Hommage „Frantic“ zurück. 

Inhalt: 

Der amerikanische Arzt Dr. Richard Walker (Harrison Ford) reist zusammen mit seiner Frau Sondra (Betty Buckley) zu einem Vortrag nach Paris. Doch die Ankunft in der französischen Hauptstadt wird von dem Missgeschick überschattet, dass am Pariser Flughafen Sondras Koffer vertauscht worden ist. Während sich Richard im Badezimmer frisch macht, verschwindet seine Frau plötzlich spurlos aus dem Hotelzimmer. Als sie nach einer gewissen Zeit nicht zurückkehrt, macht sich Richard selbst auf die Suche nach ihr und trifft in einer Bar einen Mann, der gesehen haben will, wie seine Frau in einen Wagen gestoßen wurde. Auf der Straße findet Richard an der betreffenden Stelle tatsächlich ihr Armband. Auch der Portier des Hotels will gesehen haben, wie Walkers Frau in Begleitung eines Mannes das Hotel verlassen hat. 
Zwar meldet Walker seine Frau als vermisst, doch sowohl die französische Polizei als auch die US-Botschaft erweisen sich als wenig kooperativ. Beim Öffnen des fremden Koffers findet Walker ein Streichholzbriefchen des Nachtlokals Blue Parrot und darin den Namen Dédé und eine Telefonnummer notiert, unter der er aber nur einen Anrufbeantworter erreicht. Er findet Dédés Adresse heraus, fährt dorthin und findet Dédé (Böll Boyer) tot in seiner Wohnung vor. Auf dem Anrufbeantworter findet er nicht nur seine eigene Nachricht vor, sondern auch mehrere Nachrichten von einer Frau namens Michelle (Emmanuelle Seigner), die angekündigt hat, ihn nach Arbeitsschluss zuhause aufzusuchen. Walker wartet auf ihre Ankunft, lässt sie den Schock über Dédés Ermordung verarbeiten und erfährt dann, dass sie von ihm als Schmugglerin angeheuert worden sei, aber den eigentlichen Auftraggeber nicht kenne. Als sie gemeinsam herauszufinden versuchen, was für einen brisanten Inhalt Michelles Koffer beherbergen mag, machen sie die Bekanntschaft von zwei israelischen Agenten, die Walkers Frau gegen das Modell der Freiheitsstatue aus dem Koffer eintauschen wollen… 

Kritik: 

Mit „Frantic“ präsentiert Roman Polanski eigentlich eine recht simpel gestrickte Entführungsgeschichte, aber die gekonnte Inszenierung macht daraus nicht nur Harrison Ford als Dr. Walker eine Tour de Force, auch der Zuschauer wird von dem immensen psychischen Druck, dem sich der Amerikaner in der an sich so romantischen französischen Metropole zunehmend ausgesetzt sieht. Durch das Missgeschick einer alltäglichen Kofferverwechslung am Flughafen gerät Walkers Leben in wenigen Stunden völlig aus den Fugen. Polanski und seinem Kameramann Witold Sobocinski („Piraten“, „Bronsteins Kinder“) gelingt es, die wilde Odyssee eines verängstigten Mannes einzufangen, der weder weiß, warum seine Frau so plötzlich verschwunden ist, noch die Sprache des Landes spricht, in dem er einen Gastvortrag halten soll. So ist Walker immer wieder auf die Unterstützung anderer Menschen angewiesen, auf den Hotelmanager und dessen Sicherheitschef, vor allem aber auf die junge Michelle, die ihn durch die Welt der Nachtclubs führt, in denen Walker Hinweise auf den Verbleib seiner Frau zu finden hofft. Dabei bringt er sich immer wieder selbst in brenzlige Situationen, klettert unbeholfen mit dem brisanten Koffer auf dem Dach von Michelles Wohnung herum, präsentiert sich dort gegenüber zwei Männern völlig nackt als deren Liebhaber und trifft immer wieder auf internationale Kollegen, die sich über seine attraktive Begleitung wundern, die offensichtlich nicht seine Frau ist. 
Polanski hält sich lange bedeckt über das Schicksal von Walkers Frau und konzentriert sich ganz auf seinen Protagonisten, dessen ängstliche Getriebenheit glaubwürdig von Harrison Ford verkörpert wird. In der Inszenierung bedient sich Polanski ganz ungeniert bei Alfred Hitchcock, dem Meister der Spannung, verwendet er doch geschickt Motive aus „Der Mann, der zu viel wusste“, „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“ und „Frenzy“, erzeugt sowohl durch die suggestiven Bilder als auch durch die hypnotischen Klänge von Altmeister Ennio Morricone und Grace Jones‘ laszivem „I’ve Seen That Face Before (Libertango)“, das sich wie ein Leitthema durch den Film zieht, einen Sog der Angst, den Polanski gekonnt bis zum Finale aufrechterhält.  

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