Aus Mangel an Beweisen

In den 1980er Jahren legte Harrison Ford mit Hauptrollen in George Lucas‘ „Star Wars“-Filmen, Steven Spielbergs „Indiana Jones“-Trilogie und Ridley Scotts Science-Fiction-Klassiker „Blade Runner“ eine atemberaubende Karriere hin, ehe er in Peter Weirs „Der einzige Zeuge“ (1985) und „Mosquito Coast“ (1986) sowie Roman Polanskis Psycho-Thriller „Frantic“ (1988) auch als Charakterdarsteller in ruhiger inszenierten Dramen überzeugen durfte. 1990 folgte in Alan J. Pakulas Justiz-Thriller „Aus Mangel an Beweisen“ die nächste Glanzleistung des Hollywood-Stars. 

Inhalt: 

Das Leben des erfolgreichen und angesehenen Staatsanwalts Rozat „Rusty“ Sabich (Harrison Ford) wird auf den Kopf gestellt, als sein Boss, Oberstaatsanwalt Raymond Horgan (Brian Dennehy), ihn über Sabichs Kollegin Carolyn Polhemus (Greta Scacchi) informiert, die in ihrer Wohnung brutal ermordet wurde, und ihn mit den Ermittlungen beauftragt. Da Sabich allerdings eine Affäre mit der ebenso attraktiven wie berechnenden Staatsanwältin hatte, bringt ihn dieser Fall in große Bedrängnis. Als sein Ermittler, Detective Dan Lipranzer (John Spencer), bei der Überprüfung der Telefondaten des Opfers auf Sabichs Privatanschluss stößt, bittet ihn der Staatsanwalt, dieses Detail aus Rücksicht vor seiner Frau Barbara (Bonnie Bedelia) unter den Tisch fallen zu lassen, doch das nützt Sabich wenig. 
Als Nico Della Guardia (Tom Mardirosian) nach den Wahlen Horgan als Oberstaatsanwalt ablöst, schießt sich dieser auf Sabich ein, wobei ihm vor allem ein Glas mit seinen Fingerabdrücken in der Wohnung der Toten zum Verhängnis zu werden droht und der Gerichtsmediziner Kumagai (Sab Shimono) zudem die Meinung vertritt, Caroline sei nicht vergewaltigt worden, sondern habe freiwillig mit dem Mörder geschlafen, sei erst danach erdrosselt und dann gefesselt worden, bevor der Täter ihr zuletzt noch ein Diaphragma entfernt habe. Als Sabich sich tatsächlich wegen Mordes vor Gericht verantworten muss, engagiert er den renommierten Strafverteidiger Sandy Stern (Raul Julia), der wiederum ein Druckmittel gegen Richter Larren Lyttle (Paul Winfield) in der Hand hat… 

Kritik: 

Noch bevor John Grisham 1989 mit „A Time to Kill“ (dt. „Die Jury“) die Welt des Justiz-Thrillers für immer zu prägen begann, veröffentlichte sein Kollege Scott Turow, ebenso wie Grisham praktizierender Jurist und Gegner der Todesstrafe, 1987 mit „Presumed Innocent“ sein Romandebüt, das drei Jahre später vom renommierten Regisseur Alan J. Pakula („Klute“, „Die Unbestechlichen“) verfilmt worden ist. Pakula inszenierte „Aus Mangel an Beweisen“ als ruhiges Justiz-Drama, das als klassisches Whodunit aufgebaut ist und dabei die Frage nach Schuld und Unschuld, Wahrheit und Gerechtigkeit thematisiert. Schon mit der Eröffnungsszene, wenn Sabichs über den Bildern eines leeren Gerichtssaals aus dem Off über Gerechtigkeit und die Pflicht der Geschworenen spricht, zwischen Schuld und Unschuld zu unterscheiden, setzt Pakula die Saat des Zweifels beim Publikum, das anschließend mit voyeuristischem Vergnügen verfolgen darf, wie Sabichs wohlgeordnetes Familienleben aus den Fugen gerät. Durch die Ermittlungen und seine als Flashbacks eingeblendeten Erinnerungen wird vor allem deutlich, dass sich die attraktive Staatsanwältin jedem an den Hals geworfen hat, der ihrer Karriere nützlich sein könnte, so dass der Mörder offensichtlich aus ihren Kreisen stammen könnte. Schließlich hätte auch Sabich selbst ein triftiges Motiv gehabt. 
Doch Pakula geht es nicht nur um die Aufklärung eines abscheulichen Verbrechens. „Aus Mangel an Beweisen“ präsentiert vor allem die dunklen Seiten der Rechtsprechung. Horgan ist nur an einer schnellen Aufklärung des Falls interessiert, weil er in zehn Tagen erneut die Wahl um den Posten des Oberstaatsanwalts für sich entscheiden will, und Sabichs Freund und Ermittler stößt auf eine Akte zu einem Bestechungs-Fall von vor fünf Jahren, der die Tote mit dem Richter in Verbindung bringt. Und Sandy Stern ist sich als Sabichs Anwalt nicht zu schade, diese Trumpfkarte auszuspielen, um seinem Mandanten einen Prozess zu ersparen. Das Drama macht deutlich, mit welch fiesen Tricks Urteile beeinflusst und „Gerechtigkeit“ verkauft wird. 
Pakula kann sich dabei auf großartige Darsteller und John Williams‘ großartigen Piano-Score verlassen, treibt Harrison Ford zu einer weiteren Höchstleistung in seiner Karriere an. Das Ende fällt zwar sehr Hollywood-mäßig aus, setzt aber auch ein deutliches Zeichen zur Art und Weise, wie das Justiz-System in den USA skrupellos unterwandert werden kann.  

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