Philadelphia

Mit seinem nachhaltig verstörenden und dem fünffachen Oscar-Gewinner Serienkiller-Thriller-Drama „Das Schweigen der Lämmer“ (1991) hat sich Jonathan Demme in die Filmgeschichte katapultiert. Entsprechend entgegenkommend zeigte sich Hollywood bei der Demmes nächsten Projekt, das nicht ganz unproblematisch war, denn „Philadelphia“ (1993) war der erste Film, der sich mit der AIDS-Thematik und der damit verbundenen Diskriminierung der mit dem HIV-Virus infizierten Menschen auseinandersetzte. 

Inhalt: 

Die beiden Anwälte Andrew Beckett (Tom Hanks) und Joe Miller (Denzel Washington) leben in verschiedenen Welten. Gerade saßen sie sich in einem Zivilrechtsfall gegenüber und checken anschließend im Fahrstuhl ihre Nachrichten auf dem Mobiltelefon, aber dann trennen sich ihre Wege in entgegengesetzte Richtungen. Während der aus einer liberalen weißen Familie stammende Beckett nach dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums an der renommierten Universität von Pennsylvania von einer renommierten Kanzlei in Philadelphia auf aggressive Weise angeworben wurde und nun von seinem Chef Charles Wheeler (Jason Robards) zum „Senior Associate“ befördert wurde, fristet der frisch zum Vater eines Mädchens gewordene Afroamerikaner Miller ein Dasein als Rechtsverdreher, der seine Mandanten vorwiegend durch Fernsehspots akquiriert. Die Wege der beiden Anwälte kreuzen sich erst wieder, als Beckett, der mit dem Latino Miguel Alvarez (Antonio Banderas) liiert ist, unter ersten sichtbaren Läsionen im Gesicht leidet und wenig später wegen vermeintlicher Inkompetenz entlassen wird. Als ihm ein wichtiger Fall übertragen wurde, verschwand nämlich eine wichtige Prozessakte, die zum Glück noch rechtzeitig im Zentralarchiv aufgefunden werden konnte. Beckett vermutet, dass seine Entlassung weniger mit den nervenaufreibenden Schwierigkeiten um die Akte zusammenhängt, sondern mit dem Umstand, dass die Partner in der Kanzlei Kenntnis von seiner AIDS-Erkrankung erhalten haben. Bei der langwierigen Suche nach einem Anwalt landet Beckett schließlich bei Miller, der zunächst einmal um seine eigene Gesundheit besorgt ist, als er vom Schicksal seines Kollegen erfährt, und auch sonst nichts von Schwulen hält. Doch als Miller mitbekommt, wie übel dem sichtlich schwächer werdenden Beckett im Lesesaal einer Bibliothek mitgespielt wird, übernimmt er Becketts Verteidigung, doch Wheelers Anwältin Belinda Conine (Mary Steenburgen) kämpft im Gerichtssaal mit harten Bandagen… 

Kritik: 

Zwar tauchten schon 1981 die ersten Fälle von Patienten mit einer mysteriösen Immunschwäche in den USA auf, die später häufig an eigentlich harmlosen Erkrankungen wie seltenen Lungenentzündungen oder dem Kaposi-Sarkom starben, und gerade in der Homosexuellen-Szene nahm AIDS schnell epidemische Ausmaße an, doch „Philadelphia“ war die erste große Hollywood-Produktion zu dem Thema, als bereits 220.000 Amerikaner an AIDS gestorben waren. 
Jonathan Demme und sein Drehbuchautor Ron Nyswaner („Der bunte Schleier“, „Freeheld“) fokussieren sich aber gar nicht so stark auf die AIDS-Thematik, sondern haben eher das Schicksal von Diskriminierten im Blick, seien es Angehöriger besonderer Rassen, Religionen und anderer Minderheiten – oder Menschen mit absonderlichen sexuellen Orientierungen. Die damals aktuelle AIDS-Pandemie gerade unter Homosexuellen stellt in „Philadelphia“ ein eindringliches exemplarisches Beispiel dar, wie sich Diskriminierung auf das Lebend er Betroffenen auswirkt. Eine besonders starke Szene stellt Becketts Gesuch um anwaltliche Vertretung bei Miller dar. 
Als Miller von der AIDS-Krankheit seines Kollegen erfährt, beäugt er ängstlich, was sein Gegenüber alles anfasst, bis er von seinem Arzt beim Routinecheck darüber aufgeklärt wird, dass sich das HIV-Virus nur über Körperflüssigkeiten überträgt. Becketts Homosexualität wird nicht übertrieben in Szene gesetzt, schon gar nicht in der Beziehung zu seinem Lebenspartner. Seine inszenatorischen Stärken gewinnt „Philadelphia“ vor allem im Gerichtssaal bei den wunderbar pointierten Verhören. Dass der Film dabei emotional so stark berührt, ist neben Demmes inszenatorischem Geschick vor allem der großartigen Musikauswahl (mit dem Oscar-prämierten Song „Streets of Philadelphia“ von Bruce Springsteen, Q Lazzarus‘ Coverversion von Talking Heads‘ „Heaven“ und der von Maria Callas gesungenen Arie „La mamma morta“ aus Umberto Giordanos Oper „Andrea Chénier“) und den bestens aufgelegten Darstellern zu verdanken. 
Tom Hanks („Forrest Gump“, „Big“) verkörpert einmal mehr den Durchschnittsamerikaner, mit dessen Leid sich der Zuschauer schnell identifizieren kann, und Denzel Washington („Training Day“, „Die Akte“) baut im Verlauf der Handlung glaubwürdig seine Vorurteile ab. Zwar trägt Demme teilweise etwas dick auf, doch „Philadelphia“ stellt nach wie vor ein Plädoyer für mehr Toleranz dar und bietet sowohl ein starkes Gerichtsdrama als auch – bis in die Nebenrollen hinein - vollendete Schauspielkunst. 

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