Der Mann mit der Schlangenhaut

Die Stücke von Tennessee Williams bildeten bereits die Grundlagen für Kritiker- und Publikumserfolge wie „Die Glasmenagerie“ (1950), „Endstation Sehnsucht“ (1951), „Die tätowierte Rose“ (1955), „Baby Doll“ (1956), „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ (1958) und „Plötzlich im letzten Sommer“ (1959). Was lag daher näher, als auch eines von Williams‘ früheren Stücken zu verfilmen? So nahm sich Sidney Lumet, der 1957 mit „Die zwölf Geschworenen“ großen Erfolg mit der Verfilmung eines Live-Fernsehspiels hatte, 1960 des Williams-Erstlings „Orpheus steigt herab“ an und verfilmte die Geschichte mit Marlon Brando, Anna Magnani und Joanne Woodward in den Hauptrollen unter dem deutschen Titel „Der Mann mit der Schlangenhaut“.

Inhalt:

Nachdem der 30-jährige Herumtreiber Val Xavier (Marlon Brando) in der Vergangenheit immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, versucht er sich an einem Neuanfang. Nach seiner Freilassung fährt er nach Mississippi, wo in einer Gewitternacht sein Auto in einer kleinen Stadt im Two River County liegenbleibt. Das Haus, in dem er Unterschlupf sucht, gehört Sheriff Talbot (R.G. Armstrong), dessen Ehefrau Vee (Maureen Stapleton) ihm ein Nachtquartier in der Gefängniszelle anbietet, aus der gerade ein Häftling entflohen ist, dem sie vertraut und das Essen durch die geöffnete Gefängnistür überreicht hatte. Die warmherzige, aber verschüchterte Frau sucht vor der Bigotterie und Brutalität ihrer Umgebung Zuflucht in der Malerei. Während sich Val und Vee unterhalten, hören sie, wie der brutale Sheriff mit seinen Gefolgsleuten den entflohenen Häftling jagt und erschießt. Val, ein Musiker mit Schlangenhautjacke, der seine Gitarre als Lebensgefährtin bezeichnet, lernt in einer Bar die gleichsam vulgäre, laute, trinkfreudige wie zerbrechliche Carol Cutrere (Joanne Woodward) kennen, mit der er sich zwar etwas vergnügt, doch dann weist er ihre Annäherungsversuche zurück, denn mit ihrem stürmisch-rebellischen Lebensstil will er schließlich nichts mehr zu tun haben. Da trifft es sich gut, dass er im Warenhaus von Lady Torrance (Anna Magnani), die sowohl unter Schlaflosigkeit als auch ihrem gerade aus dem Krankenhaus entlassenen Mann Jabe (Victor Jory) leidet, einen Job als Verkäufer bekommt.
Lady ist von Val, der ein Erzähler seltsamer und eigentümlich schöner Geschichten ist, auf Anhieb fasziniert. Obwohl der Fremde viel jünger ist als sie, wirft sie sich ihm in die Arme. Sie zeigt Val die Ruinen des Weingartens, der früher ihrem Vater gehörte, bis ein anonymer Mob von rassistischen Einwohnern das Lokal durch Brandstiftung vernichtete; dabei kam auch der Vater ums Leben. Ladys Traum ist es, das zerstörte Werk ihres Vaters wiederauferstehen zu lassen in Gestalt eines Gartenlokals, das sie neben dem Laden eröffnen will.
Lady, die ihr Begehren nur schwer kaschieren kann, kommt Val zunächst nicht näher. Jabe, der von seinem Krankenbett aus alles verfolgt, weidet sich an der Vergeblichkeit ihrer Liebeswerbung, doch als er seine Frau mit dem jungen Mann wegfahren sieht, brennt bei ihm eine Sicherung durch…

Kritik:

Aus dem einst wilden Marlon Brando („Der Wilde“, „Die Faust im Nacken“) ist ein „Mann in der Schlangenhaut“ geworden, der seine geliebte Gitarre nur noch als Erinnerung an ein wildes Nachtclubleben herumträgt und die Jacke als Insignie seiner Individualität nur zu gern gegen einen schicken Anzug eintauscht, den ihm die italienischstämmige, verhärmte Lady Torrance nur zu gern zur Verfügung stellt, ebenso ein Kämmerchen mit einem Bett, damit der attraktive Jüngling in ihrer Nähe schlafen kann. „Der Mann in der Schlangenhaut“ erzählt von einem Mann, dessen Versuch, ein neues Leben anzufangen, von der unglückseligen Beziehung zu zwei gänzlich unterschiedlichen Frauen zum Scheitern verurteilt wird. Ebenso wie Tennessee Williams‘ Vorlage demonstriert auch Sidney Lumets Verfilmung, wie schwer es für in gesellschaftlichen Zwängen gefesselten Menschen ist, ein wenig Glück im Leben zu erreichen. Besonders tragisch erscheint dabei die Figur der Warenhaus-Leiterin Lady Torrance, die sich ein Leben mit einem anderen Mann, nämlich Carols Bruder, erträumt hat, von ihm aber verlassen wurde, so dass sie einen weitaus älteren, gehässigeren Mann geheiratet hat, den sie mit jeder Faser ihres Körpers verabscheut, der ihr aber ein Zuhause geschenkt hat. Welchen Preis sie dafür bezahlt hat, wird ihr durch den besonnenen und poetischen Val bewusst gemacht, doch Rassismus, Neid und Gewalt verhindern eine Wendung zum Besseren in ihrem Leben. Lumet wählt wie in „Die zwölf Geschworenen“ dramatische Schwarzweißbilder mit vielen Nahaufnahmen, die das Leid der drei Hauptfiguren immer wieder eindrucksvoll einfangen. Das ist gerade im Fall von Joanne Woodward („Der lange heiße Sommer“, „Die Liebe eines Sommers“) etwas zu nahe am Overacting, und auch die Beziehung zwischen dem fast schon stoisch agierenden Marlon Brando und der älteren, aber immer noch attraktiven Anna Magnani („Rom, offene Stadt“, „Die tätowierte Rose“) wirkt nicht ganz überzeugend, doch am Ende bleibt „Der Mann in der Schlangenhaut“ ein Drama über unerwiderte Liebe und das Überleben in einer Atmosphäre von Hass und Gewalt.

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