The Verdict

Mit seinem famosen Regiedebüt „Die zwölf Geschworenen“ (1957) lieferte Sidney Lumet einst die Blaupause für das Genre des Gerichtsthrillers. Seither hat Lumet einige weitere hervorragende Filme inszeniert – „Network“, „Equus – Blinde Pferde“, „Serpico“, „Prince of the City“ -, aber vor allem mit dem 1982 entstandenen Justizdrama „The Verdict“ mit einem grandiosen Paul Newman in der Hauptrolle lieferte Lumet ein weiteres echtes Meisterwerk ab.

Inhalt:

Einst war Frank Galvin (Paul Newman) ein erfolgreicher Rechtsanwalt, hätte vor Jahren unter dem Vorwand, Geschworene beeinflusst zu haben, aber fast seine Zulassung verloren. Nachdem er aus der Sozietät geworfen wurde und seine Frau sich hatte scheiden lassen, trinkt Galvin in seiner Stammkneipe und spielt am Flipper, der ihm noch die Gelegenheit zu gewinnen bietet. Vor Gericht hat Galvin nämlich seit Jahren keinen Fall mehr gewonnen. Verzweifelt und desillusioniert klappert er Trauerfeiern und Krankenhäuser ab, um an Schadensersatzprozesse zu kommen, bei denen er bevorzugt auf eine außergerichtliche Einigung setzt. Neben seinem Barkeeper hält nur noch sein Kollege Mickey Morrissey (Jack Warden) zu ihm, bei dem er das Handwerk des Rechtsanwalts erlernt hatte. Mickey, der den psychischen und physischen Verfall Galvins kaum noch ertragen kann, verschafft ihm einen neuen Fall. Die junge Deborah Ann Kaye ist bei einer Entbindung in einem renommierten katholischen Krankenhaus ins Koma gefallen, wobei die Sauerstoffzufuhr zu ihrem Gehirn unterbrochen wurde. Ihre Schwester Sally Doneghy (Roxanne Hart) und deren Mann Kevin (James Handy) wollen sich mit den verantwortlichen Ärzten Dr. Towler (Wesley Addy) und Dr. Marx, dem Krankenhaus und der Erzdiözese, der das Hospital gehört, vergleichen.
Mickey hat alle Mühe, Galvin wieder hochzurappeln. Er will, dass er den Fall übernimmt und mit dem Bischof (Ed Binns) und Concannon (James Mason) samt seinem guten Dutzend Anwälten einen Vergleich aushandelt. Als Galvin allerdings bei einem Gespräch mit Dr. Gruber (Lewis J. Stadlen) erfährt, dass Dr. Marx und Dr. Towler – zwei über das Land hinaus anerkannte Ärzte – Pfusch getrieben, eine falsche Narkose verabreicht hätten, ist Galvin entschlossen zu prozessieren – zumal sich Gruber als Sachverständiger zur Verfügung stellen will. Trotz des Angebotes einer außergerichtlichen Einigung und der Voreingenommenheit des behandelnden Richters ihm gegenüber will Galvin eine gerichtliche Verurteilung der beiden verantwortlichen Ärzte. Dass die Erzdiözese Galvins Mandantin 210.000 Dollar anbietet, verschweigt Galvin ihren Angehörigen. Doch als der Prozess beginnen soll, ist Gruber wie vom Erdboden verschwunden. Während Galvin versucht, die Jury von der Schuld der Ärzte zu überzeugen, macht die skrupellose Verteidigung seine Anklagepunkte – auch durch direkte Einflussnahme – jedes Mal zunichte…

Kritik:

In „Die zwölf Geschworenen“ ließ Sidney Lumet das Gerichtsverfahren komplett außen vor und ließ die Handlung ausschließlich im Zimmer abspielen, in dem sich die Geschworenen zur Beratung zurückgezogen haben. Von den Anwälten war hier nichts zu sehen. Fünfundzwanzig Jahre später hat Lumet den Fokus dagegen auf die Anwälte verlegt. Nach dem gleichnamigen Roman von Barry Reed und dem Drehbuch von David Mamet („Glengarry Glen Ross“, „The Untouchables“) präsentiert Lumet mehr als nur einen klassischen Justiz-Thriller. Mit pointierten Dialogen lotet er auch die moralischen Grenzen aus, in denen sich sowohl Ärzte als auch Juristen bewegen, um über das Schicksal der ihnen anvertrauten Menschen zu entscheiden. Darüber hinaus überzeugt „The Verdict“ als einfühlsam inszenierte Charakterstudie eines Mannes, der nichts mehr zu verlieren hat, sich schon vor sich selbst ekelt, aber durch den erschütternden Fall einer jungen Frau, die durch einen Ärztefehler ins Koma gefallen ist, auf mehr aus ist als ein Drittel der Vergleichssumme einzustreichen, und neuen Lebenswillen entwickelt, um der armen Frau Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Paul Newman ist als Anwalt, der nach einigen Schicksalsschlägen zum Trinker geworden ist, grandios, aber auch Jack Warden als seine rechte Hand verleiht dem Drama eine emotional berührende Note.
Sidney Lumet verzichtet bei „The Verdict“ auf filmtechnische Sperenzien und lässt die Akteure und ihr Verhalten für sich sprechen. Da fällt das Urteil der Geschworenen kaum noch ins Gewicht.

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