Die Unzertrennlichen

Mit seinem Body-Horror-Klassiker „Die Fliege“ hatte der kanadische Filmemacher David Cronenberg 1986 den Zenit seiner Phase in dem Genre erreicht, das er mit Frühwerken wie „Shivers – Parasitenmörder“, „Rabid – Der brüllende Tod“ und „Videodrome“ maßgeblich mitgeprägt hat. In seinem nachfolgenden Meisterwerk „Dead Ringers – Die Unzertrennlichen“ beginnt er, sich vor allem für die psychischen Befindlichkeiten seiner Protagonisten zu interessieren, was dem Film eine weitaus verstörendere Tragik verleiht als die Splatter-Elemente seiner vorangegangenen Werke. 

Inhalt:

Seit ihrer Kindheit sind die eineiigen Zwillinge Elliot und Beverly Mantle (Jeremy Irons in einer Doppelrolle) unzertrennlich. Während ihres Medizinstudiums machen sie mit der Erfindung eines neuen gynäkologischen Instruments Furore, schließlich gründen sie eine erfolgreiche Praxis, in der sie Frauen ihre Kinderwünsche zu erfüllen helfen. Dabei zeigt sich allerdings, wie unterschiedlich die beiden Zwillingsbrüder doch sind. Während der extrovertierte Elliot bei öffentlichen Veranstaltungen im Vordergrund steht und dafür seine Geliebten mit dem zurückhaltenden Beverly teilt, widmet sich Beverly ganz seiner Forschungsarbeit. Doch als die Schauspielerin Claire (Geneviève Bujold) mit einer ungewöhnlichen Abnormität ihrer Gebärmutter in die Praxis kommt, gerät die symbiotische Beziehung der beiden Brüder, die gemeinsam in einer Wohnung in Toronto leben, aus dem Gleichgewicht, denn Beverly verliebt sich in sie. 
Elliot kommt schwer damit zurecht, dass er nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit seines Bruders genießt, und wird drogenabhängig. Als Claire für zehn Monate wegen Dreharbeiten die Stadt verlassen muss, gerät Beverly in eine folgenschwere Krise, verdächtigt sie der Untreue und leidet unter der zunehmenden Medikamentenabhängigkeit. Um wieder das alte Zusammengehörigkeitsgefühl zu erleben, steigern sich Elliot und Beverly immer weiter in Wahnvorstellungen hinein, die sie zu einer fatalen Entscheidung führen … 

Kritik: 

Auch wenn in „Die Unzertrennlichen“ von dem Body Horror wenig zu sehen ist, für den David Cronenberg berühmt geworden ist, ist das Thema der Transformation nach wie vor elementar, nur dass es diesmal weniger um die Symbiose von menschlichen Körpern mit technischen oder wissenschaftlichen Errungenschaften bzw. anderen Körpern (wie zuvor in „Die Fliege“) als um die Auswirkungen psychischer Abnormitäten auf den Menschen. Indem Cronenberg in „Die Unzertrennlichen“ ein außergewöhnliches eineiiges Zwillingspaar in den Mittelpunkt stellt, thematisiert er auch die berühmten siamesischen Zwillinge Chang und Eng Bunker. So wie diese auch körperlich miteinander verbunden waren, sind Beverly und Elliot voneinander abhängig, so unterschiedlich sie in ihrem jeweiligen Wesen auch wirken. Elliots Extrovertiertheit stellt sich bald als zerstörerische Egomanie heraus, als er merkt, dass er nicht mehr von der ungeteilten Bewunderung seines Bruders zehren kann. Halten beide zunächst ihre gemeinsame Geliebte Claire für medikamentensüchtig, wird ihnen später klar, dass sie selbst immer mehr Medikamente und schließlich harte Drogen brauchen, um das aus der Balance geratene Gleichgewicht zwischen ihnen wieder herzustellen, was letztlich tragische Konsequenzen nach sich zieht. 
Wenn der Identitätenwechsel bei ihren Geliebten zunächst noch eine vergnüglich spielerische Komponente aufweist, ändert sich die Beziehung zwischen den Zwillingsbrüdern, sobald Beverly tiefere Gefühle für Claire zu entwickeln beginnt. Aus dem Wunsch, wieder die ursprüngliche, letztlich trügerische Harmonie zwischen ihnen herzustellen, verlieren sich Beverly und Elliot in drogeninduzierten Wahnvorstellungen mit tödlichem Ende. Cronenberg findet dafür immer wieder beunruhigende Bilder, so etwa mit den monströsen gynäkologischen Instrumenten und der roten OP-Kleidung, aber auch in dem Albtraum, in dem Claire die siamesischen Zwillinge mit ihren Zähnen zu trennen versucht. Dadurch, dass Cronenberg die drastischen Bilder aber sehr behutsam einsetzt und sich auf die psychischen Aspekte der Beziehung zwischen den Zwillingen fokussiert, wirkt „Die Unzertrennlichen“ viel beunruhigender als seine vorangegangenen Werke, die sich bei aller intellektueller Versiertheit doch sehr durch ihre drastischen Bilder ins Gedächtnis gebrannt haben. Jeremy Irons („Verhängnis“, „Das Geisterhaus“) brilliert in seiner Doppelrolle der eineiigen Zwillinge, die mental aber auf unterschiedlichen Ebenen unterwegs sind. Von der harmonischen Beziehung über Kindheit und Studium sowie der gemeinsam erfolgreichen Führung ihrer Praxis bis zur sukzessiven Zerstörung ihres Gleichgewichts verkörpert Irons bis zum tragischen Ende beide Figuren gleichermaßen überzeugend. 

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