Shock

Nachdem Vincent Price in den 1940er Jahren neben Gene Tierney in den Noir-Dramen „Laura“ (1944) und „Todsünde“ (1945) mit größeren Nebenrollen auf sich aufmerksam machen konnte, bekam er 1946 in einem weiteren Noir-Thriller eine Hauptrolle, doch sollten mehr als zehn weitere Jahre vergehen, ehe sich der großartige Schauspieler vor allem im Horror-Genre etablierte. Dabei demonstrierte er bereits in Alfred L. Werkers für 20th Century Fox entstandenen Drama „Shock“ seine Qualitäten in doppelbödigen Rollen. 

Inhalt: 

Die junge Janet Stewart (Anabel Shaw) fährt nach San Francisco, wo sie einem Hotel ihren Mann, Lieutenant Paul Stewart (Frank Latimore) erwartet, den sie zwei Jahre lang für tot gehalten hatte. Zwar ist die telegraphische Reservierung verloren gegangen, aber der Hotelmanager kann ihr für eine Nacht ein Zimmer organisieren. Doch die Ankunft ihres Mannes lässt auf sich warten. In der Nacht wacht Janet durch Stimmen auf. Zunächst hält sie sie für die ihres Mannes, dann bemerkt sie, dass die Stimmen von draußen kommen. Auf dem Balkon kann sie in ein um die Ecke liegendes Hotelzimmer blicken, wo sich offenbar ein Ehepaar streitet. Nachdem die Frau den Mann beschuldigt hat, sie betrogen zu haben, gibt er zu, dass sie sich auseinandergelebt haben und er eine andere Frau liebe. Als die Frau droht, ihn gesellschaftlich zu ruinieren, erschlägt er seine Frau mit einem Kerzenleuchter. Janet verfällt in einen Schockzustand, aus dem sie auch durch ihren verspätet eingetroffenen Mann nicht befreit werden kann. Der Hotelarzt ist mit seinem Latein am Ende und ruft den im Hotel gastierenden Psychiater Dr. Richard Cross (Vincent Price) zur Hilfe. Als er die Umgebung in Augenschein nimmt, ahnt er, dass die Frau im Schockzustand gesehen haben muss, wie er seine Frau Margaret ermordet hat. Er nimmt Janet mit in sein Sanatorium, wo er seine neue, immer noch benommene Patientin fragt, was sie gesehen habe. Dabei bestätigt sich sein Verdacht. Vor allem Cross‘ Geliebte, die Krankenschwester Elaine Jordan (Lynn Bari), sieht in der Patientin eine Gefahr für ihr eigenes Glück und die geplante Heirat mit dem frischen Witwer. Der versucht vergeblich, bei Janet die Erinnerung an das traumatische Erlebnis auszulöschen. 
Als Janet im Wachzustand auch noch lautstark ihre Anschuldigung gegen den Psychiater wiederholt, schrillen vor allem bei Elaine alle Alarmglocken. Gegenüber ihrem Mann Paul behauptet Dr. Cross, dass Janet unter paranoiden Wahnvorstellungen leide, aber der junge Soldat konsultiert mit Dr. Harvey (Charles Trowbridge) einen weiteren Experten. Mittlerweile wird Dr. Cross als vermisst geltende Frau zerschmettert an einem Felsabhang gefunden und ihr Tod als Unfall deklariert. Andererseits ist der Koffer noch unterwegs, in dem Cross die Leiche seiner Frau aus dem Hotel geschleppt hat. Eine Exhumierung soll aber Klarheit über die Todesursache bringen, nachdem Staatsanwalt O’Neill (Reed Hadley) Zweifel an Dr. Cross‘ Geschichte bekommen hat. Nun ist der Psychiater doch genügend beunruhigt, dem Drängen seiner Geliebten nachzugeben und der Zeugin eine tödliche Insulin-Therapie zu verabreichen … 

Kritik: 

Nach dem Drehbuch von Eugene Ling („Wenn Eltern schweigen“, „Skandalblatt“) inszenierte Alfred L. Werker („Die Abenteuer des Sherlock Holmes“, „Dick und Doof in geheimer Mission“) 1946 einen soliden Noir-Thriller, in dem Vincent Price als gut situierter Psychiater mit eigenem Sanatorium einen Mord im Affekt zu vertuschen versucht. Die Ausgangslage ist geschickt konstruiert mit dem Mord, der von einer jungen Frau beobachtet wird, die daraufhin in eine Schockstarre verfällt. Die Spannung resultiert aus der Frage, ob sich die junge Frau von ihrem Schock so weit wieder erholen kann, dass sie den Täter glaubhaft identifizieren kann. Dr. Cross hat allerdings alle Trümpfe in seiner Hand. Da die Zeugin unwissentlich auch seine Patientin wird, verfügt er über Möglichkeiten, sie dauerhaft ruhigzustellen, doch kommt ihm da nicht nur der besorgte Ehemann, sondern auch sein alter Lehrmeister Dr. Harvey in die Quere, der sich dafür ausspricht, die junge Frau möglichst schnell aus ihrem lethargischen Zustand zurückzuholen. 
Die Spannung geht mit der recht hölzernen Entwicklung der Geschichte aber über die etwas mehr als einstündige Filmlänge weitgehend verloren. Vincent Price ist der einzige Darsteller, der in seiner Rolle hin- und hergerissen ist zwischen seinem hippokratischen Eid und der Gefahr für sein Liebesglück, wobei sein eigenes Gewissen eher in die richtige Richtung weist, seine Geliebte aber entsprechenden Druck ausübt, um die Zeugin beseitigen zu wollen. Immerhin sorgen auch die von Gewittern geprägte Atmosphäre im Sanatorium und die solide Inszenierung für einen gewissen Unterhaltungswert, doch zu einem Klassiker reicht das Zeug nicht. 

Kommentare

Beliebte Posts