Videodrome

Nachdem der kanadische Drehbuchautor und Regisseur David Cronenberg mit „Scanners“ (1981) seinen Durchbruch als Filmemacher feiern durfte, standen ihm für seinen nachfolgenden Film „Videodrome“ (1983) bereits sechs Millionen kanadische Dollar Budget zur Verfügung, doch nahm Cronenberg die zunehmende Akzeptanz in Hollywood nicht zum Anlass, sich dem Mainstream anzubiedern. Stattdessen trieb er sein bevorzugtes Thema – die Unterwerfung des Menschen vor der Wissenschaft und die Verschmelzung menschlicher Eigenschaften mit der Technik – bis an die Grenzen des gerade noch Zumutbaren und inszenierte ein verstörendes Body-Horror-Werk, das die Symbiose von Mensch und Maschine, Geist und Videobildern auf ein neues Niveau hob. 

Inhalt:

In der Nische der extravaganten Erwachsenenunterhaltung ist Kabelsender-Betreiber Max Renn (James Woods) ständig auf der Suche nach bizarren und gewalttätigen pornografischen Sendungen. Durch seinen Mitarbeiter Harlan (Peter Dvorsky) stößt er auf einen offensichtlich auf Malaysia stationierten Piratensender namens „Videodrome“, der realistisch wirkende Gewaltpornos ausstrahlt. Als Max mehr über das Programm des Senders erfahren will, weil er hofft, mit so einem Programm die Einschaltquoten von Civic-TV erhöhen zu können, beauftragt er die mit ihm befreundete Produzentin Masha (Lynne Gorman) mit weiteren Nachforschungen, doch rät sie Max nach ihren Recherchen davon ab, sich weiter mit dem Thema zu befassen, da die gezeigten Folterszenen echt seien. Doch als Max erfährt, dass Videodrome aus Pittsburgh ausgestrahlt wird, versucht er selbst, den Kontakt herzustellen, wobei ihm Masha den Medienprofessor Brian O’Blivion (Jack Creley) als Referenz nennt. Ihn hat Max ebenso wie seine Freundin, die masochistisch veranlagte Radiomoderatorin Niki Brand (Debbie Harry) bei einer Fernsehsendung kennengelernt, wobei O’Blivion nur per Video zugeschaltet war. Durch O’Blivions Tochter Bianca (Sonja Smits) erfährt Max, dass ihr Vater grundsätzlich nur per vorab aufgenommener Videos kommuniziert. 
In einem dieser für Max aufgenommenen Videos erklärt O’Blivion, dass er durch die längerer Betrachtung von Videodrome einen Gehirntumor bekommen habe, der wiederum Halluzinationen auslöst und den Betrachter für die Programmbetreiber manipulierbar macht. Das muss Max auf schmerzliche Weise am eigenen Leib erfahren, denn auch er fängt an zu halluzinieren und eine Vagina-ähnliche Öffnung im Bauch zu entwickeln, in der er eine Pistole oder Videobänder verschwinden lassen kann. Als Max Barry Convex (Leslie Carlson) kennenlernt, der offiziell den Brillenhersteller Spectacular Optical leitet, wird er mit einer von Convex entwickelten Apparatur vertraut gemacht, mit der Max von seinen Halluzinationen geheilt werden könne. Doch stattdessen wird Max zu einem Killer umprogrammiert … 

Kritik: 

Nach „Shivers“, „Rabid“, „Die Brut“ und „Scanners“ präsentiert Cronenberg mit „Videodrome“ seinen bislang drastischsten und kompromisslosesten Film zum Thema der Transformation und Verschmelzung von Mensch und Technik zum „neuen Fleisch“, wie es immer wieder in „Videodrome“ heißt. Was oberflächlich betrachtet wie eine subversive Kritik an Gewaltdarstellungen in den Medien und der Auswirkung auf das menschliche Verhalten wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung vor allem als Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung jedweder Medieninhalte und der zunehmend schwierigeren Trennung von Fiktion und Realität. Dabei bedient sich Cronenberg vor allem der Mittel aus dem Horror-Genre, um mit prädigitalen Special Effects die schädlichen Auswirkungen des massiven Medienkonsums vor allem die daraus folgende Verformung und Explosion menschlicher Körper und Glieder zu zeigen. 
Während Cronenberg in „Scanners“ die Splatter-Horror-Effekte äußerst sparsam eingesetzt und die sexuelle Komponente komplett außen vor gelassen hatte, kehren diese für Cronenberg typischen Elemente in „Videodrome“ umso stärker zurück. Dabei bedient sich der Kanadier einer sehr subjektiven Erzählperspektive, die es auch für den Zuschauer unmöglich macht, die halluzinierten Bilder von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Wie schon in seinen früheren Filmen bietet Cronenberg dem Publikum auch hier keine Identifikationsfigur an, sondern lenkt die Aufmerksamkeit geschickt auf das thematische Terrain, um das es ihm geht. 
Im Vergleich zu „Scanners“ wirkt „Videodrome“ weit weniger konventionell inszeniert, verliert in der zweiten Hälfte sogar seine nachvollziehbare Erzählstruktur und Spannung, doch erweist sich der Film nichtsdestotrotz als zutiefst verstörendes, visuell packendes und thematisch intelligent wie vielschichtig angelegtes Werk, das von Howard Shore („Die Fliege“, „Crash“) auf elektronische Weise musikalisch passend untermalt wird. 

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