Der Kuss des Vampirs

Da Hammer Films mit „Dracula“ (1958) und „Dracula und seine Bräute“ (1960) gute Erfahrungen, sprich: volle Kassen, mit Vampir-Filmen gemacht haben, ließen sie weitere zwei Jahre später mit „Der Kuss des Vampirs“ (1962) bereits den nächsten Film in diesem Horror-Sub-Genre produzieren, wobei sie auf der einen Seite mit Produktionsdesigner Bernard Robinson, Komponist James Bernard und Drehbuchautor Anthony Hinds (alias John Elder) auf vertraute Elemente bauten, andererseits mit dem australischen, Horror-unerfahrenen Regisseur Don Sharp und einem ungewohnten Darsteller-Ensemble (ohne die Super-Stars Christopher Lee und Peter Cushing) neue Wege einschlug. 

Inhalt: 

Bayern zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach einer düsteren Trauer-Prozession und der Grabrede durch den Priester nimmt der angetrunkene Professor Zimmer (Clifford Evans) einen Spaten zur Hand, schaufelt aber nicht wie erwartet ein Häuflein Erde auf das Grab seiner Tochter, sondern stößt ihn mit Wucht durch den Sargdeckel, worauf ein furchterregender Schrei und Blut aus dem Sarg quillt. Währenddessen ist das junge Ehepaar Gerald (Edward de Souza) und Marianne Harcourt (Jennifer Daniel) mit dem Automobil auf Hochzeitsreise, da geht ihnen mitten im Wald auf einem Feldweg das Benzin aus. 
Gerald macht sich auf den Weg, Benzin zu holen, und lässt seine Frau im Wagen warten. Das beobachtet Dr. Ravna (Noel Willman) aus seinem Schloss mit dem Fernrohr. Als Marianne das Warten zu lange wird, macht sie sich ebenfalls auf den Weg, wird aber bald unterwegs von Professor Zimmer dazu aufgefordert, wieder zu ihrem Wagen zurückzukehren. Da taucht ihr Mann auch schon mit einem Bauern und seinem Pferd auf, das den liegengebliebenen Wagen mit den Harcourts ins nächste Dorf zieht. Dort kommen sie im heruntergekommenen und leerstehenden „Grand Hotel“ unter. Während sich der Hotelier Bruno (Peter Madden) über den unerwarteten Besuch total freut, trauert seine Frau Anna (Vera Cook) schluchzend um die verlorene Tochter Tania (Isobel Black), der sie beim Essen noch immer ein Gedeck bereitlegt. Unter diesen Umständen sind Gerald und Marianne sehr dankbar, von dem ihnen noch unbekannten Dr. Ravna zum Abendessen eingeladen zu werden. Vor allem Marianne genießt den Aufenthalt dort, ist von dem betörenden Klavierspiel von Ravnas Sohn Carl (Barry Warren) ganz hingerissen. So nehmen die Harcourts trotz Professor Zimmers eindringlicher Warnung auch die Einladung der Ravnas zu einem Maskenball an, zu dem ein französischer Küchenchef und ein Orchester aus Wien für die sinnlichen Genüsse sorgen werden. 
Während Carls Schwester Sabena (Jacquie Wallis) Gerald abfüllt und unter ihre Fittiche nimmt, tanzt Carl die ganze Zeit mit Marianne, setzt später die Teufelsmaske ihres Mannes auf und entführt sie auf diese Weise in ein entlegenes Gemach, wo sie Dr. Varna wie zuvor schon Tania zu einer seiner Jüngerinnen macht. Als Gerald am nächsten Morgen aus seinem Rausch erwacht und nach Marianne sucht, will sie niemand gesehen haben … 

Kritik: 

Dafür, dass Don Sharp („Abenteuer in der Luft“, „Wenn Scotland Yard das wüsste“) vor „Der Kuss des Vampirs“ noch keinen Horror-Film inszeniert hatte, legte er 1962 mit „Der Kuss des Vampirs“ einen überraschend stilsicheren und atmosphärisch dichten Genre-Beitrag vor. Ungewöhnlich ist vor allem seine Art des Spannungsaufbaus. Die Friedhofsszene im Prolog mit der Schändung des Grabes und dem heraussprudelnden Blut aus dem Sarg versetzt das Publikum zunächst in Schockstarre, doch danach fällt die Spannung rapide ab. Sharp und Drehbuchautor/Produzent Anthony Hinds legen viel Wert darauf, die Beziehungen zwischen den Hoteliers und ihren Gästen einerseits sowie zwischen den Ravnas und den Harcourts zu etablieren, wobei Professor Zimmer schnell als eine Art Dr. Van Helsing fungiert, der die naiven Eheleute vor größerem Unheil zu bewahren versucht. Die sind aber so von der distinguierten Eleganz ihrer Gastgeber geblendet, dass sie jede Warnung in den Wind schlagen. 
Interessant sind die Abweichungen von üblichen Vampir-Filmen, was vor allem auf die Fähigkeit der Vampire, auch bei Tag (nur nicht im Sonnenlicht) umherzuwandern, zutrifft, aber auch auf die ungewöhnliche Sektenstruktur. Während der Ausgestaltung der Beziehungen untereinander sind dramatische Momente kaum noch zu sehen. Allein der Biss, den Professor Zimmer durch Tania an seinem Handgelenk erfährt, sorgt kurz für schauderhafte Momente, als er die Wunde am Feuer zu verschließen versucht. 
Erst zum sehenswerten Finale hin dreht Sharp effektvoll an der Spannungsschraube. Bis dahin darf sich der Zuschauer vor allem an den wieder sehr gelungenen Produktionsdesign von Bernard Robinson und die stimmungsvolle Kameraarbeit von Alan Hume („James Bond 007 – Octopussy“, „Ein Fisch namens Wanda“) ebenso erfreuen wie an der großartigen Musik von James Bernard, der auch die Walzermusik beim Maskenball und das Piano-Stück komponierte, mit dem Carl Ravna Marianne so in den Bann zieht. 
Regisseur Don Sharp fand offensichtlich Gefallen an dieser Arbeit, inszenierte er in der Folge schließlich noch Filme wie „Ich, Dr. Fu Man Chu“, „Der Fluch der Fliege“ und „Rasputin – Der wahnsinnige Mönch“. Roman Polanski ließ sich für „Tanz der Vampire“ vor allem durch den Maskenball in „Der Kuss des Vampirs“ inspirieren, der selbst wiederum von Edgar Ulmers „The Black Cat“ (1934) und Hitchcocks „Eine Dame verschwindet“ (1938) inspiriert wurde. 

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