Honkytonk Man
Nachdem seine achte Regiearbeit „Firefox“ (1982) eine wenig originelle Abrechnung mit dem Kommunismus darstellte, legte Clint Eastwood noch im selben Jahr mit „Honkytonk Man“ eine ganz andere Art von Film vor, eine rührende Geschichte von der Verwirklichung von Träumen in schwierigen Zeiten, eine Liebeserklärung an die Kraft der Musik und ein ungewöhnliches Coming-of-Age-Drama.
Red Stovall (Clint Eastwood) zieht während der Großen Depression von Stadt zu Stadt und hofft auf den Durchbruch als Country-Sänger. Doch sein immer wieder auftretender Husten und seine Alkoholsucht stehen ihm immer wieder im Weg. Immerhin konnte er einen seiner Songs durch den bekannten Musiker Bob Wills einspielen lassen. Als er völlig betrunken die Familie seiner Schwester Emmy (Verna Bloom) und ihres Mannes Virgil (Matt Clark) besucht, wird deren Farm gerade von einem Sandsturm völlig verwüstet, die Saat, in die Virgil seine ganzen Ersparnisse investiert hat, ist hinüber. Während sich Red auf der Farm etwas erholt, freundet er sich mit seinem Neffen Whit (Kyle Eastwood) an, der selbst gern eine Karriere als Country-Sänger einschlagen würde.
Als Red wieder auf den Beinen ist, bricht er nach Nashville auf, wo er einer Einladung zum Vorsingen in der Grand Ole Opry nachkommen will. Schweren Herzens lässt Emmy ihren Sohn Red begleiten, nimmt Whit aber das Versprechen ab, dass er sich regelmäßig melden und vor allem auf Red aufpassen soll. Whits Großvater (John McIntire) ist ebenfalls mit von der Partie.
Red bringt dem Jungen nicht das Spielen auf der Gitarre, sondern auch das Autofahren bei. Tatsächlich fährt sein Neffe besser als er selbst. Unterwegs verdienen sie ihren Lebensunterhalt vor allem durch Reds Auftritte in Bars, aber auch kleinere Diebstähle. Schließlich versucht Red auch noch, bei dem zwielichtigen Arnspringer (Barry Corbin) Schulden in Höhe von 100 Dollar einzutreiben, wozu er letztlich zu rabiaten Methoden greifen muss. Das bei Arnspringer lebende Mädchen Marlene (Alexa Kenin) nutzt den Zwischenfall, um sich in Reds Auto zu verstecken. Doch die Truppe wegen einer Auto-Reparatur in einem kleinen Wüstenkaff festhängt, trennen sich ihre Wege. Während Grandpa auf eigene Faust ins gelobte Kalifornien reist, nimmt Red den Bus nach Nashville, wohin ihm Whit mit dem reparierten Auto folgen soll …
Kritik:
Clint Eastwood inszenierte „Honkytonk Man“ nach einem Roman von Clancy Carlile, der sich wiederum vom kurzen Leben des Country-Musikers Jimmie Rodgers inspirieren ließ. Gleich mit der eindringlichen Eröffnungsszene setzt Eastwood den Ton für sein ungewöhnliches Road Movie. Der Sandsturm vernichtet nicht nur die Lebensgrundlage der Familie seiner Schwester – und damit auch der eigenen, da er sonst keine Verwandten hat, sondern weht gleichzeitig den schwerkranken Country-Musiker in ihr Leben. Während Emmy und Virgil verzweifelt überlegen, ob sie als Baumwollpflücker für ihren Lebensunterhalt sorgen sollen, träumt Whit ebenso wie sein Onkel von einer Karriere als Musiker.
Eastwood nimmt sich viel Zeit, das Leben eines Wandermusikers einzufangen, das Tingeln von Stadt zu Stadt, von Spelunke („Honkytonk“) zu Spelunke. Kameramann Bruce Surtees („Flucht von Alcatraz“, „Beverly Hills Cop“) fängt die Atmosphäre der Kneipen und Bars wunderbar ein, aber auch das harte Leben auf der Straße. Eastwood begleitet sich selbst in Aufnahmestudios, wo er zwanzig Dollar pro aufgenommenen Song verdient, bis ihn seine Tuberkulose zum Aufhören zwingt. Dabei kümmert er sich rührend um seinen Neffen, bringt ihm das musikalische Rüstzeug bei und das Fahren, besorgt ihm auch seine erste Frau. So hart das Leben eines Musikers auch ist, lassen Eastwood und seine Figur doch keinen Zweifel daran, dass es um nichts anderes geht im Leben, als seine Träume zu verwirklichen, unter welch schwierigen Voraussetzungen auch immer.
Man spürt, dass „Honkytonk Man“ ein Herzensprojekt von Clint Eastwood gewesen ist. Mit großem Einfühlungsvermögen und ebenso großer Leidenschaft für die Musik vereint „Honkytonk Man“ gekonnt Road Movie, Musikfilm und Coming-of-Age-Drama.
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