Blow Out

Nach experimentierfreudigen Beginn hat Brian De Palma Anfang der 1970er Jahre seine Handschrift gefunden, als er mit dem Thriller „Die Schwestern des Bösen“ (1972) seine eigene Verehrung für den Spannungsmeister Alfred Hitchcock zur Grundlage seiner verspielten Zitatensammlungen mit der Lust an der Darstellung von Sex und Gewalt machte. In der Folge entstanden mit „Carrie: Des Satans jüngste Tochter“ (1976) und „Dressed to Kill“ (1980) Meisterwerke, die De Palmas beste Zeit dokumentieren. Mit dem 1981 inszenierten Psycho-Thriller „Blow Out - Der Tod löscht alle Spuren“ bedient sich der eklektische Filmemacher aber nicht nur bei Hitchcock, sondern vor allem bei Antonioni, dessen Klassiker „Blow Up“ das Thema vorgibt. 

Inhalt: 

Der Ton-Ingenieur Jack Terry (John Travolta) muss für den neuen Horror-Trash seines Regisseurs nicht nur den Todesschrei einer Darstellerin neu synchronisieren, die in einer Duschszene hingemeuchelt wird, sondern auch neue Windgeräusche aufnehmen, die den Voyeur vor dem Fenster umgeben. Während sich der Regisseur um ein passendes Schrei-Double kümmert, macht sich Jack mit Richtmikrofon und Aufnahmegerät in der Nähe eines Waldes Richtung Fluss auf, wo er zunächst ein Liebespaar aufnimmt und dann seine Aufmerksamkeit auf einen Wagen lenkt, der nach zwei Knallgeräuschen von der Straße abkommt und in den Fluss stürzt. Jack kann aus dem Wrack noch eine Frau retten, für ihren männlichen Begleiter kommt jede Hilfe zu spät. Als Jack die Frau ins Krankenhaus bringt, wird er gleich von der Polizei in Beschlag genommen. Wie sich herausstellt, handelt es sich bei dem getöteten Mann um den Gouverneur und aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten George McRyan. Dass er mit einem Callgirl unterwegs war, soll natürlich niemand wissen, weshalb sowohl Jack als auch die von ihm gerettete Sally (Nancy Allen) nichts von diesem Zwischenfall verlautbaren sollen. Davon, dass Jack vor dem Platzen des Reifens noch einen anderen Knall gehört hat, will niemand etwas wissen. Doch Jack will die Unfalltheorie nicht auf sich beruhen lassen und hört immer wieder seine eigene Aufnahme durch. Dabei kommt ihm der Umstand zur Hilfe, dass Sally zusammen mit dem schmierigen Manny Karp (Dennis Franz) versucht hat, den McRyan zu erpressen, so dass auch Karp am Tatort war, um mit seiner Kamera den Seitensprung des Gouverneurs zu fotografieren. Jack synchronisiert Karps zu einem Film zusammengesetzten Bilder mit seiner Tonaufnahme und kann so seine Aussage untermauern. Doch dann werden nicht nur Jacks Aufnahmen gelöscht, sondern der psychotische Burke (John Lithgow) macht sich derweil daran, alle Zeugen des Attentats zu eliminieren … 

Kritik: 

Von Beginn an spielt De Palma auch bei „Blow Out“ mit den Erwartungshaltungen und Sehgewohnheiten seines Publikums. In der Auftaktszene wähnt man sich noch in einem billigen Abklatsch von John Carpenters Slasher-Klassiker „Halloween“, nur um feststellen zu müssen, dass man einer Film-im-Film-Sequenz aufgesessen ist, die durch John Travoltas Figur nachvertont werden muss. Das Spiel mit der Verwischung von Fiktion und Realität setzt sich mit der Veränderung der Geräuschkulisse fort, denn am Ende wird der Zuschauer des Horror-B-Movies mit einer manipulierten Tonspur konfrontiert. 
Anschließend kopiert De Palma an das Setting von Michelangelo Antonionis „Blow Up“, macht aus dem Fotografen, der zufällig einen Mord mit seiner Kamera einfängt, einen Toningenieur, der ebenfalls zufällig einen Mord aufzeichnet – nur eben mit einem Mikrofon. Die Art und Weise, wie John Travoltas Figur allerdings die wie durch ein Wunder oder glücklichen Zufall parallel entstandenen Fotografien zu einem Film formt und diesen mit seiner Aufnahme synchronisiert, ist schon starker Tobak, doch um die Logik seiner Geschichten hat sich De Palma noch nie geschert. Dafür macht er mit diesem Verschwörungsszenario deutlich, dass die Träume der „Love & Piece“-Generation nach Vietnam, Watergate und den Attentaten auf Martin Luther King, John F. und Robert Kennedy ein für allemal ausgeträumt sind. Mit dem als Autounfall fingierten Attentat auf den Gouverneur zieht De Palma sogar eine direkte Parallele zu dem Unfall von Senator Ted Kennedy, der im Juli 1969 unter ähnlichen Umständen bei Chappaquiddick die Kontrolle über seinen Wagen verlor, wobei seine Beifahrerin, die 28-jährige Sekretärin und Wahlkampfhelferin Mary Jo Kopechne, ertrank. 
Die intensive Auseinandersetzung mit Tonaufnahmen im Zusammenhang mit einem Mord erinnert nicht zuletzt an Francis Ford Coppolas Verschwörungs-Klassiker „Der Dialog“ (1974). Bei allen geschickten Zitaten und Verweisen erweist sich De Palma allerdings auch wieder als Meister der packend inszenierten Spannung. Hier kommt vor allem John Lithgow („Mein Bruder Kain“, „Cliffhanger“) eine Schlüsselrolle als psychopathischer Killer zu, der noch andere Frauen umbringt, um den notwendigen Mord an Sally in Zusammenhang mit den „Liberty Bell“-Morden zu bringen. Gegen Lithgows manische Präsenz verblassen die allzu braven Hauptdarsteller John Travolta und Nancy Allen geradezu. Doch wie bei so vielen der besten De-Palma-Filme heben die grandiose Kameraarbeit von Vilmos Zsigmond („Heaven’s Gate“, „Sugarland Express“), der fesselnde Score von Pino Donaggio („Carrie“, „Wenn die Gondeln Trauer tragen“) und De Palmas formal vollendete Inszenierung diese Makel wieder auf. 

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